Comic und Politik: Vom Krieg gezeichnet
Afghanistan-Einsatz, NS-Vergangenheit, Fidel Castro: Auch in Deutschland werden Comics politischer und diskutieren zeitgeschichtliche Themen.
Viele Leser des „Vorwärts“ waren empört. Die Jusos schrieben einen offenen Protestbrief an den Chefredakteur der sozialdemokratischen Zeitschrift, Abonnenten drohten mit Kündigungen. Auslöser war ein Comic-Strip des jungen Zeichners David Füleki. Er hatte einen Aktivisten aus einem sozialistischen Jugendtreff gezeigt, der Autos abfackelte – zusammen mit einem Neonazi. Diese vermeintliche Gleichsetzung von Links und Rechts ging vielen Sozialdemokraten zu weit.
Fülekis Serie steht in ihrer dezidiert politischen Ausrichtung für einen Trend, der kürzlich auch auf dem Comicsalon in Erlangen, dem wichtigsten deutschsprachigen Szene-Festival, deutlich wurde. Zeichner und Autoren mischen sich in Debatten ein, arbeiten Sachthemen auf oder nehmen politisch Stellung. Es geht um das Afghanistan-Debakel der Bundeswehr, die Auswirkungen des Nationalsozialismus oder den Kalten Krieg. Die grafische Erzählung wird als Medium des sozialen und politischen Diskurses wieder entdeckt.
Das gilt für Zeitungs-Strips wie die Reihe „Bigbeatland“, in der der Berliner Zeichner Andreas Michalke die Befindlichkeit der linksalternativen Szene für die Wochenzeitung „Jungle World“ aufs Korn nimmt, ähnlich wie einst Gerhard Seyfried. Aber es gilt zunehmend auch für die Graphic Novel, die lange, in sich geschlossene Comic-Erzählung. Gleich eine Handvoll Arbeiten zu politischen Themen haben deutsche Zeichner zum Comicsalon veröffentlicht. „Wir wollen Geschichten mit gesellschaftlicher Relevanz veröffentlichen“, sagt Ralf Keiser vom Carlsen-Verlag. Dort erscheint die erste Graphic Novel zum deutschen Afghanistan-Einsatz, das auf Recherchen beruhende, wenngleich fiktive Drama „Wave and Smile“ des Berliners Arne Jysch, ein zweiter Comic zum Thema ist angekündigt.
In Frankreich und den USA werden schon seit längerem politische Ereignisse in Comics behandelt, aktuellste Beispiele sind „Gaza“ von Joe Sacco und „Aufzeichnungen aus Jerusalem“ von Guy Delisle. In Deutschland haben sich Comicautoren bisher nur selten an derartige Themen gewagt. Etwa der Berliner Reinhard Kleist. Nachdem er mit seiner Comic-Biografie „Castro“ auch im Ausland Erfolge feierte, hat er jetzt in seiner Graphic Novel „Der Boxer“ das Leben des jüdischen Boxers Hertzko Haft nachgezeichnet. Haft musste im KZ zur Unterhaltung der Wachleute gegen andere Gefangene um sein Leben kämpfen und machte später in den USA Karriere. Öffentlich zugängliche Fotos oder Filme von den oft geheimen Bundeswehreinsätzen dürften ebenso rar sein wie Bilder von Hertzko Hafts Leidensgeschichte. So haben Comics anderen Medien etwas voraus: die Fantasie der Zeichner.
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