RIAS-Kammerchor: Volle Leuchtkraft
Der RIAS-Kammerchor singt im Berliner Kammermusiksaals Arvo Pärts "Te Deum" und Beethovens Oratorium "Christus am Ölberge".
Größere Gegensätze sind kaum denkbar: Hier die Suche nach dem Überpersönlichen, ja Göttlichen, dort schrankenlose Subjektivität, die sich ein übermenschliches Geschehen anverwandelt. Der RIAS-Kammerchor fügt dies jedoch, mit dem Münchener Kammerorchester unter Alexander Liebreich, zum erstaunlichen Ganzen zusammen, als sich ergänzende Facetten menschlicher Kreativität.
Zum klösterlichen Ensemble mutiert der Chor in Arvo Pärts „Te Deum“. Musikalische Rede und Gegenrede wie aus der Mehrchörigkeit der Renaissance wird zwischen Frauen- und Männergruppen auf den Emporen des Kammermusiksaals und gemischten Stimmen auf dem Podium ausgetauscht. Das Finden, nicht das Erfinden von Musik ist das Credo des estnischen Tonsetzers, der für seine gläubige Haltung bekannt ist. Und so fügt sich auch im „Te Deum“ scheinbar Bekanntes neu zusammen, ein Tonvorrat, der dem Mittelalter entstammen könnte.
Großes Kino macht der RIAS-Kammerchor aus Beethovens Oratorium
Über dem gleichwohl elektronisch verstärkten Basston einer Windharfe bauen sich Quarten und Quinten in den Streichern auf, auch Mollterzen, die der ganzen Lobpreisung einen verhaltenen Charakter geben. Wie sie sich umschlingen und immer neue Figuren ergeben, das hat nichts „Einfaches“ an sich. Stärkere Bewegung tritt erst gegen Schluss ein, zur Bitte um Vergebung. Darüber schwebt der in seiner Reinheit fast bestürzend perfekte Chor, ätherisch zarter Gesang, der sich nur selten steigert und doch immer Leuchtkraft besitzt.
Großes Kino dagegen in Beethovens „Christus am Ölberge“. Die allzu weltlich- emotionale Behandlung des geistlichen Stoffes war dem Meister einst übel vermerkt worden. Heute fesselt sie als Darstellung menschlicher Ängste und ihrer Überwindung durch die Liebe. Mit großer Plastizität agieren Chor und Orchester. Schnell wechseln die Sänger zwischen den Rollen der Landsknechte und der Jünger. Benjamin Bruns ist ein strahlkräftiger Jesus und bringt später wunderbar weiche Tenor-Töne auf, die Sopranistin Simona Šaturová ein höhensicherer Seraph, das fein nuancierende Bariton-Timbre von Stephan Genz für den aufbegehrenden Petrus fast zu edel.