Angelina Jolies erster Film: Vermintes Gelände
Angelina Jolie setzt in ihrem Regiedebüt „In the Land of Blood and Honey“, das eine tragische Liebesgeschichte im Bosnienkrieg erzählt, auf einen harten realistischen Stil. In Bosnien und Serbien sorgte das Drama schon lange vor Kinostart für große Aufregung.
Propaganda! Lügen! Fälschungen! Das Geschrei der serbischen Medien war groß, als kürzlich die ersten Gerüchte über Angelina Jolies Regiedebüt „In the Land of Blood and Honey“ den Balkan erreichten. Zwar ist der Film dort noch gar nicht im Kino zu sehen, doch der Belgrader Zeitung „Politika“ reichte schon die Information, dass er eine Liebesgeschichte zwischen einer Muslimin und einem Serben während des Bosnienkrieges erzählt, um zu titeln: „Zu viele Lügen über die Serben“. Das Werk sei von der „Hollywoodmatrix“ geprägt, die die Serben ausnahmslos im schlechtesten Licht zeige.
Davon kann vor allem in der ersten Hälfte des 1992 beginnenden Dramas nicht die Rede sein. So zeichnet Angelina Jolie, die auch das Drehbuch schrieb, ihren serbischen Protagonisten Danijel (Goran Kostić) als durchaus feinsinnigen, grüblerischen Typen. Er ist Soldat, weil sein Vater, ein extrem nationalistischer General, (Rade Šerbedžija ) ihm keine andere Wahl lässt. Aber er bringt es mehrmals nicht fertig, den Abzug seines Gewehres zu drücken. Und nicht zuletzt bewahrt er die muslimische Malerin Ajla (Zana Marjanović) im Internierungslager davor, vergewaltigt zu werden. Danijel ist so etwas wie der „gute Serbe“, der sagt: „Mir gefällt nicht, was wir machen.“ Und: „Der Krieg belastet mich sehr“.
Dennoch sprach auch Regisseur Emir Kusturica von „Propaganda“ und der „Lügenfabrik Hollywood“, deren Produkt „In the Land of Blood and Honey“ sei. Er kündigte an, sich nach Südamerika abzusetzen, sollte Jolie nach Belgrad kommen. Auf ähnlichem Niveau agierte der Historiker, den das Boulevardblatt „Kurir“ zu Wort kommen ließ. Ohne den Film gesehen zu haben, war dieser sich sicher, dass er von Stereotypen aus den neunziger Jahren, westlicher Propaganda und Schwarz-weiß-Malerei geprägt sei.
Einen wahrlich grotesken Coup landete die gleiche Zeitung jedoch mit der Schlagzeile: „Angelina Jolie fordert die Abschaffung der Republika Srpska!“, also des serbischen Teils von Bosnien und Herzegowina. Zwar hatte die Redaktion sich diesen „diplomatischen Skandal“ der Uno- Sonderbotschafterin nur auf äußerst dürftiger Basis zusammenfantasiert, doch es reichte, um die Öffentlichkeit in Bosnien und Serbien tagelang in Atem zu halten. Milorad Dodik, Präsident der serbischen Teilrepublik, bezichtigte Jolie, schlecht informiert und von muslimischer Seite instrumentalisiert worden zu sein. Gewohnt markig fügte er hinzu: „Schon viele haben uns angegriffen, aber wir haben uns auch gegen Stärkere durchgesetzt.“
Velimir Bata Živojinović, einer der bekanntesten und beliebtesten Schauspieler im einstigen Jugoslawien, kommentierte: „Das ist Idiotismus! Ganz schrecklich! Sie sollte lieber nicht hierherkommen.“ Sein Wunsch könnte in Erfüllung gehen, denn bisher plant Angelina Jolie nur die Premieren ihres Filmes in Sarajevo (14.2.) und Zagreb (17.2.) zu besuchen. In Belgrad hingegen wird sie am 23.2. wahrscheinlich nicht über den roten Teppich laufen. Nervenschonender ist das sicher für die 36-Jährige, die sich gezwungen sah, dem Wirbel mit einem Brief an die serbischen Medien entgegenzutreten. In dem Statement dementierte sie, jemals die Abschaffung der Republika Srpska gefordert zu haben. Zudem stellte sie klar: „Es wurde fälschlicherweise behauptet, dass im Film die Zahl von 300 000 Toten durch den Konflikt genannt wird. Weder diese Zahl noch irgendeine andere genaue Zahl bezüglich der durch den Konflikt verursachten Toten kommt im Film vor.“
Das stimmt. Dafür wird vor dem Abspann eingeblendet, dass etwa 50 000 Frauen während des Krieges vergewaltigt und die Hälfte der bosnischen Bevölkerung vertrieben wurden. An diese düsteren Jahre zwischen 1992 und 1995 sowie an das Versagen des Westens will Angelina Jolie mit ihrem Film erinnern. Er ist gewissermaßen die Verlängerung ihres humanitären Engagements als UN-Flüchtlingsbotschafterin. Dass sie es ernst und ehrlich meint, sieht man dem rund 13 Millionen Dollar teuren Drama an, das mit Schauspielern aus der Region in deren Muttersprache realisiert wurde. Die Uneitelkeit des Projektes hat der Regisseurin bei den Kritikern in den USA, wo „In the Land of Blood and Honey“ Ende Dezember in die Kinos kam, viele Punkte eingebracht. In die Respektsbekundungen mischte sich allerdings meist Verwunderung darüber, dass die derzeit glamouröseste Schauspielerin Hollywoods als ersten eigenen Film einen derart europäisch anmutenden, unkonventionellen Independentfilm realisiert hat.
Angelina Jolie setzt vor allem auf Härte und einen quasi-dokumentarischen Stil. Subtilität ist ihre Sache nicht. Wenn sie eine Mutter filmt, die mit ihrem toten Baby im Schnee kniet, zeigt sie diese Mater-dolorosa-Pose einmal schräg von vorn und dann noch einmal aus einer erhöhten Position. Gefühlte drei Minuten lässt sie das Bild stehen. In den ersten zwanzig Minuten entfesselt sie ein Horrorszenario aus dicht getakteten Bombenexplosionen, Erschießungen, Deportationen und Vergewaltigungen. Darüber vernachlässigt sie die Einführung ihrer Hauptfiguren, was deren Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft sehr schadet. So sind Ajla und Danijel nur in einer einzigen fernsehmäßig inszenierten Tanzszene miteinander zu sehen, bevor die Bar in die Luft fliegt und sie sich in einem Lager wiedersehen. Man kann sich zusammenreimen, dass die beiden schon ein paar Mal miteinander ausgegangen sind, dass sich eine Affäre anbahnt. Doch tiefe Gefühle sind zwischen ihnen nicht einmal im Ansatz zu erahnen. Ihre Leidenschaft bleibt den ganzen Film über eine Behauptung.
Danijel ist der Kommandant des Lagers und kann Ajla vor den schlimmsten Übergriffen bewahren. Sie nimmt seinen Schutz leicht widerstrebend an und so kommt es bald zu einer surrealen Sexszene: weißer Raum, Zeitlupe, Klavierbegleitung. Der Liebesakt als idyllisches Utopia, das die grausame Lagerwelt in weite Ferne rückt. Das wirkt sehr unpassend und ist ein harter Stilbruch zum übrigen Film. Problematisch ist auch der zweite Teil von „In the Land of Blood and Honey“, in dem sich Ajla nach ihrer Flucht aus dem Camp im Auftrag einer bosniakischen Untergrundgruppe wieder von den Serben fangen lässt, um Danijel auszuspionieren. Doch Jolie verschleiert die Motivation und die wahren Gefühle ihrer Heldin derart, dass sie ihre Geschichte weiter wie eine Amour fou inszenieren kann – inklusive einer weiteren Sexszene im grellen Licht, diesmal mit SM-Appeal.
Wahrscheinlich waren es solche Sequenzen, die Bakira Hasečić. von der Organisation „Frauenopfer des Krieges“ befürchtet hatte, als sie im Herbst 2010 gegen Jolie und ihr Projekt mobil machte. Zwar kannte die kämpferische Bosnierin das Drehbuch nicht, auch ihr reichten rudimentäre Informationen (Oscarpreisträgerin dreht Drama über Vergewaltigungsopfer), doch ihr war klar: Das kann nicht gut- gehen, eine Jolie darf nicht für uns sprechen. Auf Hasečić’ Betreiben wurde dem Filmteam die Drehgenehmigung entzogen. Nach einer hitzigen Debatte las schließlich der Kultusminister der kroatisch-bosniakischen Föderation das Drehbuch und hob das Drehverbot auf.
Bakira Hasečić. wettert weiter gegen „In the Land of Blood and Honey“, den sie sich nicht anschauen will. Andere Frauen aus ihrer Organisation sehen die Sache inzwischen anders. Nach einer privaten Vorführung in Sarajevo, zu der Jolie elf Opfer der Krieges eingeladen hatte, sagte eine der Teilnehmerinnen: „Angelina Jolie hat unsere Seelen berührt.“
11.2., 20.30 Uhr (Haus der Berliner Festspiele), 12.2., 18 Uhr (Cubix), ab 23.2. im Kino
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