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Niedlich gruselig: Eine Seite aus "Endzeit".
© promo

Untote: Verdammt, wir leben noch

Während diverse Comic-Verlage hierzulande mit Lizenzausgaben ganz auf amerikanische Apokalypse-Produktionen setzen, erschien beim Verlag Schwarzer Turm mit „Endzeit“ ein Zombie-Comic der deutschen Künstlerin Olivia Vieweg, der obendrein in Deutschland spielt.

Schon vor einer Weile hat der deutsche Verlag Zwerchfell mit „Die Toten“ bewiesen, dass Zombie-Terror kein exklusiv amerikanisches Comic-Gut ist. Auch die Bundesrepublik eignet sich bestens als Hintergrund für Horror-Geschichten über die Verheerung durch Untote und die unausweichlichen Dramen in deren Folge. Gerade jetzt, da der Stellenwert von Comics Made in Germany erfreulicherweise ja von Jahr zu Jahr steigt. Mit ihrem Zombie-Comic, der den schlichten Titel „Endzeit“ trägt, steuert Olivia Vieweg nun ihren Teil zum doppelten Trend bei.

Zombies in Weimar, Zombies in Jena

Viewegs Geschichte entstand 2011 als Diplom-Arbeit an der Bauhaus-Universität in Weimar. Zwei junge Frauen müssen darin drei Jahre nach der großen, alles verändernden Untoten-Katastrophe von Weimar nach Jena gelangen. Unterschiedlicher wie die beiden Protagonistinnen könnten Reisegefährtinnen nicht sein: Eva nimmt die neue Situation an und findet sogar Sinn und Enthusiasmus, während Vivi sich der Niedergeschlagenheit und der Angst ergibt. Zwei Seiten der Medaille „Verdammt, wir leben noch!“, die nach Austreten der Zombie-Plage jeder um den Hals trägt und deren Gewicht jeder an sich ziehen spürt.

Doch ob Optimismus und Kampfgeist oder Pessimismus und Ohnmacht, geografisch haben Eva und Vivi trotz allem dasselbe Ziel. Und spätestens wenn ihr ferngesteuerter Zug auf halber Strecke in der verwilderten Pampa einfach stehen bleibt, ist jede Seite ein beeindruckender Beleg dafür, wieso Vieweg seit Jahren als großes Talent gilt und im Sommer 2012 auf dem Comic Salon in Erlangen auch völlig zurecht als Gewinnerin von Ehapas Comicstipendium präsentiert wurde.

Der größte Kritikpunkt als Kompliment

Das Unerwartete

Schnell wird nämlich klar, dass Viewegs erst einmal nicht allzu düsterer Stil, den man nach diversen Mangas und Geschenkbüchern nicht zwingend mit Zombie-Horror in Verbindung bringen würde, sogar die größte Stärke von „Endzeit“ ist. Das erinnert zuweilen fast schon an die umtriebige US-Künstlerin Jill Thompson, die mit ihrem lieblichen Stil auch schon ein paar echte Horror-Schocker realisiert hat: etwa die großartigen, aber extrem düsteren und blutigen Abenteuer der „Beasts of Burden“, oder zuletzt sogar ebenfalls eine deftige Zombie-Story in DCs Heft-Anthologie „The Unexpected“.

Das Ende aller Tage. Das Cover des Bandes.
Das Ende aller Tage. Das Cover des Bandes.
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Auch Viewegs Figuren, ihr Strich und natürlich ihre hellen Farbtöne rücken die Zombies sowie die Schonungslosigkeit und Brutalität der neuen Welt, die sie durch ihre allgegenwärtige Präsenz beherrschen, in einen gesonderten Kontrast. So wird das Unerwartete, das viel der nötigen Stimmung in guten Zombie-Comics ausmacht, innerhalb von Viewegs stilistischen Parametern automatisch, aber nie aufdringlich überzeichnet und erzielt doch stets einen großen Effekt.

Ein überzeugender Ansatz

Selbst der größte Kritikpunkt an „Endzeit“ ist letztlich nur ein Kompliment: Die Geschichte erreicht ihr Ende etwas zu schnell. Mindestens doppelt so viele Seiten hätten das Lesevergnügen sicher noch mal gesteigert. Genug Potential hat Viewegs Untoten-Szenario allemal. Schließlich wird sogar eine Verschwörung hinter dem Ursprung der Zombies in Deutschland angedeutet. Um hier die nötige Tiefe zu schaffen, fehlt es dem Band dann aber schlicht und ergreifend an ein paar Seiten.

Trotzdem ist „Endzeit“ ein äußerst gelungener Zombie-Comic, der künstlerisch einen ganz eigenen, überzeugenden Ansatz wählt und sich erzählerisch nicht hinter der Konkurrenz zu verstecken braucht, selbst wenn eine inzwischen über zweitausend Seiten starke Endzeit-Seifenoper wie „The Walking Dead“ natürlich anders tickt als ein Einzelband mit einem Bruchteil an Umfang und Möglichkeiten.

Olivia Vieweg: "Endzeit", Schwarzer Turm, 76 Seiten, 16,80 Euro

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