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© Illustration: König/Männerschwarm

Ralf König: Verbotene Liebe

Vor kurzem bekam er den Publikumspreis der Frankfurter Buchmesse, jetzt sind gleich zwei neue Bücher Ralf Königs erschienen – eine gute Gelegenheit, die unterschiedlichen Seiten des Autors und Zeichners zu vergleichen

Diesen Zauselbart kennt man doch irgendwoher. Der biblische Noah, wie Ralf König ihn für sein neues Buch schuf, kommt einem merkwürdig vertraut vor. Woher nur? Richtig! Der verkniffene Alte sieht dem bigotten Mullah zum Verwechseln ähnlich, den König einst durch seine religionskritische Multikulti-Komödie „Dschinn Dschinn“ stolpern ließ (hier geht es zur Tagesspiegel-Rezension).

Der fundamentalistische Muslim und der nicht minder engstirnige Christ als Brüder im Geiste und im Aussehen – willkommen zu einer neuen Runde im Kampf des wackeren Atheisten König gegen sich auf Gott berufende Eiferer und religiös verbrämte Bigotterie.

„Archetyp“ heißt der jüngst bei Rowohlt erschienene Band diesmal, es gibt einige neue Ideen, aber im Kern bastelt König in dieser zuerst als Serie in der "FAZ" veröffentlichten (Anti-)Bibelepisode erneut an dem bunten Kosmos, den er in seinen religions- und gesellschaftskritischen Werken der vergangenen Jahre bereits gut aufgestellt hat.

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Alter Heuchler. Königs Noah kurz vor der Sintflut.
© Illustration: König/Rowohlt

Wer das kürzlich mit dem Publikumspreis "Sondermann" geehrte Vorläuferwerk „Prototyp“ (Rezension hier, mehr zum "Sondermann" unter diesem Link), besagten „Dschinn Dschinn“-Doppelband oder die eine oder andere religionskritische Abhandlung Königs in Kurzgeschichtenform gelesen hat, dem wird manches an seiner Nacherzählung der Sintflut-Geschichte bekannt vorkommen.

Ziegenbärtiger Lustfeind, heimlicher Lustmolch

Und trotzdem: Auch „Archetyp“ strotzt mal wieder vor sprachgewaltigem (und meisterhaft gereimten) Witz und zauberhaften Karikaturen, die König trotz aller Boshaftigkeit als das erkennen lassen, was er wohl zuallererst ist: Ein Humanist, der es einfach nicht verstehen kann, wieso fundamentalistische Eiferer ihm und anderen lebensfrohen Menschen vorschreiben wollen, wie sie zu leben haben. Auch wenn einige religiöse Sittenwächter dies in der Vergangenheit nicht so sahen - und die Serie heftig kritisierten (mehr dazu unter diesem Link).

König gelingt in diesem Band erneut eine feine Balance zwischen Slapstick und feinem Humor, zwischen Wort- und Bildwitz mit dazwischen fein dosierten ernsten Botschaften. Und doch gibt es ein paar Dinge, die etwas zu sehr nach Recycling aussehen.

Die Idee etwa, Gott mit seiner Schöpfung in Fraktur reden zu lassen, war in früheren Erzählungen ein wunderbarer Einfall – jetzt wirkt sie abgestanden.

Dennoch ist es herrlich mitanzuschauen, wie Noah als ziegenbärtiger Lustfeind (und heimlicher Lustmolch) sich vor dem Herrn abmüht, auf dass der Rest der Welt ähnlich griesgrämig werde wie er – und Gott eigentlich nur seine Ruhe haben will. So ist es nur konsequent, dass sich der Schöpfer und Noahs Frau heimlich verbünden, um dem Eiferer eine Lektion in Sachen Toleranz und Nächstenliebe zu erteilen - die allerdings etwas sehr pathetisch in einem dann doch allzu kitschig-harmonischen Happy End mündet.

Was, wenn Heteros sich einfach gehen ließen?

Noch etwas frecher und frischer kommt da die jüngste Sammlung von Königs Kurzgeschichten daher, die der Männerschwarm-Verlag unter dem frei assoziierten (weil mit dem Inhalt offensichtlich unverbundenen) Titel „Schillerlöckchen“ jetzt fast zeitgleich zu „Archetyp“ veröffentlicht. Eine gute Gelegenheit, die beiden verschiedenen Seiten Königs zu vergleichen.

Während „Archetyp“ der trotz allen Klamauks ernsthafte Versuch des offensichtlich religiös traumatisierten Atheisten König ist, dem Mysterium der Religion und deren Missbrauch durch ihre selbst ernannten weltlichen Vertreter auf die Schliche zu kommen, kommt „Schillerlöckchen“ naturgemäß leichter und spielerischer daher. Wenngleich auch die hier versammelten Kurzgeschichten voller aufklärerischer Botschaften stecken, die König in unterhaltsamer Verpackung serviert. So in der (bereits zuvor anderswo veröffentlichten) genialen Nacherzählung einiger Episoden Wilhelm Buschs, die König kurzerhand zu Plädoyers gegen Schwulenhass, Heuchelei und – auch hier – religiöses Eiferertum macht.

Dazu gibt es, wie in Königs früheren Sammelbänden aus dem auf homosexuelle Themen spezialisierten Männerschwarm-Verlag, eine hübsche Sammlung längerer und kürzerer Episoden,

in denen pointierte Geschichten aus dem Alltag teils lange eingeführter Charaktere wie Konrad & Paul sowie teils neuer Figuren erzählt werden. Es geht um alltägliche Beziehungsdramen, Entzugserscheinungen, verbotene Liebe im Dschungelbuch, sentimentale Erinnerungen beim zufälligen Wiederfinden alter Fotos oder die unglaublichen Folgen eines medizinischen Experiments, das heterosexuelle Menschen ihren Sexualtrieb öffentlich ausleben lässt.

Manche Variation altbekannter König-Themen ist dabei, die schwule Perspektive dominiert – aber dennoch ist diese Sammlung erneut eine große Freude, auch für heterosexuelle Leser. Denn König hat einen scharfen Blick für den menschlichen Charakter, die Sexualität ist da oft nur eine Beigabe, wenngleich eine in lebensfrohen Bildern lustvoll ausgebreitete. „Schillerlöckchen“ ist ein Sammelband, in dem nicht nur die hier nachgedruckten herrlichen Hommagen an Wilhelm Busch und Loriot ein weiteres Mal deutlich machen, dass Ralf König beiden ein würdiger Nachfolger ist.

Ralf König: Schillerlöckchen, 63 Seiten,
Männerschwarm-Verlag, 12 Euro.
Ralf König: Archetyp,
Rowohlt-Verlag, 140 Seiten, 16,90 Euro.

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