Pigor & Eichhorn in der Bar jeder Vernunft: Unsere Angst vor der Stille
Das Berliner Chanson-Duo Pigor und Eichhorn macht in seinem aktuellen Programm zwischendurch auch mal das Licht aus. Eine gute Gelegenheit, um über den Sinn und Nutzen von Pausen nachzudenken. .
In seinem aktuellen Programm besingt das Berliner Chanson-Duo Pigor und Eichhorn mit gewohnt feiner Ironie den leisesten Flughafen der Welt, erklärt, wie man den NSA durch konsequenten Gebrauch von Dorfdialekten zur Verzweiflung bringt, reißt den Ruhrgebietlern ihre Rau-aber-herzlich-Maske vom Gesicht und sagt endlich mal jener Sorte Gäste die Meinung, die erst zu früh zum Dinner kommt und dann auch noch mithelfen will.
Seit 1995 präsentieren Pigor und Eichhorn ihr satirisches Liedgut mit hohem Identifikationspotenzial für Mittelstandsakademiker. Jetzt aber wollen sie in der Bar jeder Vernunft Theatergeschichte schreiben. Mithilfe des Publikums – und mit einem kollektiven Power-Napping. Einigen Kollegen, erklärt Thomas Pigor, gelänge es ja immer wieder, Teile des Publikums zum Wegdösen zu verleiten. Dass aber ein ganzer Saal auf Kommando einnickt, das war ja wohl noch nie da. Spricht’s und dreht für drei Minuten das Licht im Spiegelzelt ab.
Natürlich geht das mit der verordneten Ruhepause schief. Weil die Leute einfach nicht stillhalten können. Schon nach wenigen Sekunden produziert ein Scherzbold irgendwo im Dunkeln Schnarchgeräusche, es wird geknistert, geraschelt, gebrummelt, gelacht. Wenig, das wird hier ohrenfällig, macht den modernen Großstadtmenschen so nervös wie die Abwesenheit von Geräuschen. Sofort befällt ihn der horror vacui, die Nihilophobia. Stille macht Angst.
Immer erreichbar, ununterbrochen online, 24 Stunden am Tag mit Nachrichten zugetextet – die Zahl medialer Zappelphilippe steigt. So sehr, dass manche Firmen schon anfangen, ihre Mitarbeiter zum Regenerieren zu zwingen, Räume für den Büro- Mittagsschlaf einrichten oder abends den Mailserver abschalten.
Dabei kann man Ruhe doch auch als Geschenk annehmen. Um die Augen zu schließen und mal nach Innen zu horchen. Vielleicht ist da ja was. Wer damit erst einmal angefangen hat, beginnt bald, sich absichtsvoll aus der alltäglichen Klangkulisse auszuklinken. Einfach mal im Bus aus dem Fenster schauen statt aufs Handydisplay, einfach mal auf der Rolltreppe stehen bleiben und das Gefühl des Bewegtwerdens genießen. Pausen, das wissen Musiker, sind genuiner Bestandteil jeder Komposition. Und Grundlage für den nächsten Aufschwung.
Wohin so ein privates Stillhalteabkommen führen kann, wusste schon der Urahn aller Pigors und Eichhorns, der große Wolfgang Neuss: „Heut’ mache ich mir kein Abendbrot, heut’ mach ich mir Gedanken.“
Pigor und Eichhorn sind noch bis zum 18. Oktober in der Bar jeder Vernunft zu erleben.
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