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Kultur: Unser Lehrer

Sensibles Kino aus Kanada: „Monsieur Lazhar“.

Simon sieht es zuerst, als er die Schulmilch im Klassenraum verteilen will: Die Klassenlehrerin hat sich mit einem Schal am Heizungsrohr erhängt. Gerade noch rechtzeitig können nach dem Pausenklingeln die anderen Schüler zurück auf den Hof dirigiert werden. Trotzdem sitzt bei den Kindern der Schock tief. Eine Psychologin wird eingestellt, das Klassenzimmer neu gestrichen.

Dann stellt sich Bachir Lazhar (Mohamed Saïd Fellag) im Büro der Direktorin vor und bietet sich als neuer Klassenlehrer an. Der algerische Asylbewerber ist noch nicht lange in Montreal, aber fest davon überzeugt, dass er den Kindern helfen kann. Erst befremdet der neue Lehrer die Schüler mit seiner Didaktik; mit Trauer- und Verlustgefühlen aber kennt er sich aus. Seine Frau und die Kinder sind in Algerien ermordet worden.

Optimisten, die nicht an Gott glauben, glauben oftmals an die ausgleichende Kraft des Universums: „Monsieur Lazhar“ des frankokanadischen Regisseurs Philippe Falardeau ist von dieser Art der Zuversicht getragen. Was erst wie ein sentimentaler Drehbucheinfall wirken mag, entwickelt sich zu einem glaubhaften seelischen Heilungsprozess. Sanft, kraftvoll und genau schildert der Film die Annäherung zwischen Lehrer und Schülern, die sich als verletzte Wesen erkennen. Darüber hinaus beobachtet Falardeau kritisch das westliche Schulsystem, das aus Angst vor Fehlverhalten in politisch korrekten Reglementierungen erstarrt ist – und auch unseren Umgang mit extremen Emotionen, zu deren Bewältigung man meist externe Hilfe wie eine Dienstleistung hinzubucht.

Trotz dieser kulturkritischen Exkurse verliert „Monsieur Lazhar“ nie die Nähe zu seinen Figuren. Dabei beeindruckt der Film vor allem durch die schauspielerische Differenziertheit, mit der die Kinder in dieser komplexen Geschichte agieren, die die Kraft des Mitgefühls beschwört, ohne sich in simplifizierenden Rührseligkeiten zu verlieren. Martin Schwickert

Cinemaxx, FaF, Kant, Neues Off; 

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Martin Schwickert

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