Literaturcomics: Ungleiches Duell
Der Brockhaus-Verlag bringt eine eigene Comic-Reihe auf den Markt. Mit den Adaptionen von Klassikern der Abenteuerliteratur sollen Kinder zum Lesen der Originale verführt werden. Eine Strategie, die funktionieren könnte – der Comic als solcher nimmt dabei jedoch Schaden.
Was haben die „Faz“ und die „Bild“ gemein? Zugegeben wenig. Beide Zeitungen haben jedoch zur Aufbesserung der Kasse bereits einmal eigene Comic-Edition aufgelegt. Aus Hessen kamen vor ein paar Jahren unter anderem Bände von „Spider-Man“, „Corto Maltese“ oder „Will Eisner“. Die Konkurrenz vom Boulevard legte später mit Zusammenstellungen von „Donald-Duck“-, „Lucky-Luke“- oder „Werner“-Geschichten nach.
Jetzt, ein paar Jahre später, veröffentlicht auch der mit seinem traditionellen Lexikongeschäft ein wenig in Bedrängnis geratene Brockhaus Verlag eine eigene Comic-Reihe. Unter dem Label „Brockhaus Literaturcomics“ erscheinen Übersetzungen französischer Klassiker-Adaptionen wie „In 80 Tagen um die Welt“, „Die Schatzinsel“ oder „Robinson Crusoe“. Fünf Alben sind bereits erschienen, allesamt rund 58 Seiten dick, Din-A4-groß und versehen mit einem kurzem Anhang zum jeweiligen Thema und Autoren. Im Herbst sollen weitere fünf Bände folgen.
Das äußerlich uniforme Erscheinungsbild setzt sich im Innern wegen der diversen beteiligen Zeichner nicht fort. Während beispielsweise „In 80 Tagen um die Welt“ danke weicher Kolorierung und Linien schön anzusehen ist, überzeugt „Die Schatzinsel“ mit unoriginellen Seitenlayouts und schroffen Strich nur bedingt.
Eins zu eins kopierende Dutzendware
Sinn der Übung ist laut Brockhaus nicht nur das Erschließen neuer Geschäftsfelder, sondern vor allem Erziehung: „Wir können darüber klagen, dass Jugendliche nicht mehr so viel lesen wie früher. Wir können aber auch Wege finden, ihnen die großen Stoffe der Literatur auf den Wegen zugänglich zu machen, die sie mögen und akzeptieren“, schreibt der Verlag auf seiner Homepage. Homers „Odyssee“ als trojanisches Pferd in Bildern, quasi.
Was erstmal löblich klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen allerdings als doppelbödige Aktion. Denn durch diese Versuchsanordnung wird der Comic einmal mehr in ein sinnloses Kräftemessen mit dem Roman geschickt, den er nicht gewinnen kann. Bei den ausgewählten Titeln handelt es sich nämlich mitnichten um herausragende Adaptionen, die die Möglichkeiten des Mediums ausloten, in dem sie die Vorlage weiterdenken oder mit ihr spielen, wie es jüngst beispielsweise Flix mit seinem „Don Quijote“ tat. Stattdessen sind die Alben eins zu eins kopierende Dutzendware, wodurch der Comic im Vergleich zur Vorlage zwangsläufig als verkürzend und unsinnlich erscheinen muss. Ein Problem, dass übrigens auch kunstvoll gemachtere Comics haben, wenn sie als rein übersetzendes Medium fungieren. Wer Bildererzählungen als solche schon immer für Kinderkram gehalten hat, wird sich von dieser, aktuellen Entwicklungen weit hinterherhinkenden Reihe zwangsläufig bestätigt fühlen müssen.
Im schlimmsten Fall überträgt ein mit dem Medium wenig vertrauter Leser diesen Blick dann auf alle Comics. Das wäre dann zwar so, als würde man nach dem Ansehen einer misslungenen Romanverfilmung sagen, alle Filme seien blöd, doch wer glaubt, so denke niemand, der werfe einen Blick auf eine kürzlich in der Neuen Zürcher Zeitung erschienene Rezension der hier besprochenen Serie.
Vielleicht tut Brockhaus mit der Aktion tatsächlich etwas für die Literatur. Dem Ansehen des Comics, der sich besonders mit extra für dieses Medium geschriebenen Geschichten zu erstzunehmender Größe aufschwingen kann, schadet der Verlag hingegen gewaltig.
„Brockhaus Literaturcomics“ Diverse Autoren und Titel, je rund 58 Seiten und 12,95 Euro. Eine Übersicht über die erschienenen und kommenden Titel finden sie hier.
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