Berliner Philharmoniker: Und Goethes Engel singen
Daniel Harding dirigiert bei den Berliner Philharmonikern Robert Schumanns „Szenen aus Goethes Faust“. Dem britischen Künstler gelingt dabei eine bewegende Interpretation.
Robert Schumanns „Szenen aus Goethes Faust“ bilden eine umfangreiche lyrische Kantate, auf die der Hörer sich einlassen muss, um nicht zu ermüden. Dirigenten wie Britten und Abbado haben sich an ihr als Schatzgräber entzündet. Jetzt führt Daniel Harding mit umsichtigem Engagement am Pult der Berliner Philharmoniker vor, dass eine neue Auseinandersetzung mit dem Werk, das ihm seit längerem vertraut ist, Gewinn bringt (noch einmal am heutigen Montag, 20 Uhr). Die Ouvertüre in d-Moll ist in ihrem Mischklang kaum originell, gezeichnet schon von Spuren des Niedergangs, der Schumann heimgesucht hat. Bezeichnend widmen sich die Gretchen-Szenen nicht der stürmisch Liebenden, sondern ihrer Lieblichkeit und Angst. Gretchens Hilfeschrei „Rette mich von Schmach und Tod“ an die Mater Dolorosa und der „Dies irae“-Chor stehen für die christlich-mittelalterliche Tendenz der Dichtung, die Schumann favorisiert. So komponiert er sogar chorisch „Es ist vollbracht“ anstelle von Goethes „vorbei“, bevor mit der „Verklärung“ und den Liedern der Engel der eindringlichste Satz beginnt: pastorale Stimmung, mystische Gesänge, „Himmelskönigin“. Harfe und Oboe klingen kostbar aus dem Orchester, während Dynamik die Aufführung bestimmt.
Die Sänger verteidigen ihren Goethe textdeutlich mit Schumanns Wohlklang, voran Christian Gerhaher (Faust), Dorothea Röschmann (Gretchen), Anna Prohaska (Sorge), ferner Andrew Staples, Franz-Josef Selig, Luca Pisaroni. Dazu der fabulöse Rundfunkchor und Knaben des Staats- und Domchors. Es ist etwas Introvertiertes an der Musik, die in ihrem Helden kein Idealbild deutschen Geistes feiern will. Schumanns „Faust“ kommt aus romantischer Religiosität. Das Publikum applaudiert einer bewegenden Interpretation.