Kultur: Um die Ecke geknipst
Berlins neues Museum für Fotografie zeigt Filme
„Du liebst mich nicht.“ – „Für mich bist Du nichts als altes Fleisch“ – „Vielleicht sollte ich zum Friseur gehen.“ Typische Dialoge aus der Videoinstallation „Johanna-Zyklus“ des Münchner Künstlerduos M+M. Zwei Männer, eine Frau und eine klassische Dreiecksgeschichte: der alternde Arzt, der eifersüchtige Liebhaber, die Frau als Objekt der Begierde. Auf sechs Videoleinwänden läuft das parallel ab, nach Texten von Helmut Krausser, in jeweils Drei-Minuten-Loops, bis hin zu Entführung und Mord. Irgendwann stellt sich heraus: Alle drei Personen rufen sich Johanna. Die Identitäten verwischen.
Identität, Zeit, Verunsicherung: Themen, die die Künstler Marc Weis und Martin De Mattia beschäftigen. Neben ihren Videoarbeiten (ab 7. Dezember ist an gleicher Stelle eine weitere Arbeit, „Dance with me, Germany“ zu sehen) komponieren sie Fotosequenzen, die sie Nachrichtensendungen oder selbst gedrehten Filmen entnehmen. In unzähligen Einzelbildern pixelt sich der Amoklauf von Erfurt, der Menschenfresser von Rotenburg oder eine Minutensequenz am Potsdamer Platz auf. Aus der Ferne nur bunte, verwirrende Farbflächen, aus der Nähe fast ein Daumenkino.
„On Film“ betitelt das seit September am Bahnhof Zoo residierende Berliner Museum für Fotografie seine zweite Ausstellung, nach Raimund Kummers Großinstallation „On Sculpture“ zur Eröffnung. Beides bezogen auf Susan Sontags „On Photography“, doch was im Museum für Fotografie stattfindet, sind eben keine Fotografie-Ausstellungen, sondern Kunst „aus den Grenzbereichen der Fotografie“, wie es Bernd Evers, der Direktor der Kunstbibliothek euphemistisch nennt. Ein schräger Ansatz, allerdings aus der Not geboren: Zwar verfügt das Museum für Fotografie mit dem Kaisersaal im dritten Stock des ehemaligen Landwehr-Casinos über einen grandiosen Raum, nur: museumstauglich ist er nicht. Rohes Mauerwerk, keine Klimatisierung, schlechte Beleuchtung: „Papierarbeiten kann man hier nicht hängen“, so Evers selbst. Für die nötige Herrichtung fehlt das Geld, und so erobert sich das Museum seine Räume nach und nach selbst – mit fachfremden Ausstellungen.
Die großen Fotografie-Ausstellungen, darunter die Übernahme der Becher-Retrospektive aus Düsseldorf, eine Ausstellung zur Dokumentarfotografie und eine zur Fotografie der 20er Jahre, finden daher an anderen Orten wie dem Kulturforum statt. Und das benachbarte Newton-Museum legt, so Ewers, ein „atemberaubendes Tempo“ vor. Ab 2. November eröffnet man im Erdgeschoss neue Räume unter dem Titel „Helmut Newton: Privat Property“. Interesse ist durchaus vorhanden: In den ersten vier Monaten kamen über 100000 Besucher in die Jebensstraße.
M+M: On Film. Museum für Fotografie, Jebensstr. 2, bis 30. Jan.. Programmwechsel am 7. Dez., dazu erscheint der Katalog.
Christina Tilmann
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