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Wissende Kinderaugen. Die siebenjährige Luca (Helena Zengel) ist „Die Tochter“.
© Fabian Gamper / Berlinale

Berlinale 2017: Überblick über die Perspektive Deutsches Kino

Was bewegt die Millennials? In der Perspektive Deutsches Kino geht es um Familiendramen, Beziehungsgeschichten und die unerfüllte Sehnsucht nach Gemeinschaft.

„Ick sag nüscht und mach allet über die Augen.“ Der Satz stammt von „Gabi“, einer kernigen Fliesenlegerin aus Brandenburg. Sie ist die Titelfigur eines überraschenden 30-minütigen Spielfilms von Michael Fetter Nathansky. Gabi hat Muckis, Herz und Mutterwitz, aber zu Hause nicht viel zu lachen – bis ihr Azubi sie in Rollenspiele verwickelt und damit ungeahnte darstellerische Ambitionen freisetzt. Zusammen mit Mia Spenglers „Back For Good“, dem packenden Drama eines blondierten TV-Sternchens, bildet er ein starkes Eröffnungsdoppel denkbar unterschiedlicher Weiblichkeitsmuster.

„Allet über die Augen“ – dieses Erzählmittel pflegen viele der starken Heldinnen und Helden der Festivalsektion, die seit ihrer Gründung 2002 dem deutschen Filmnachwuchs vorbehalten ist. Und vielfach sind es wissende Kinderaugen, die ihre dysfunktionalen Familienverhältnisse ebenso hinterfragen wie die Realität. Zwei herausragende Beispiele sind das Eifersuchtsdrama „Die Tochter“ von Mascha Schilinksi, in dem die siebenjährige Luca sich vom Trennungsopfer zur Elternmanipulatorin mausert. Und das Drogendrama „Die Beste aller Welten“, eine autobiografische Liebeserklärung des 1991 geborenen Österreichers Adrian Goiginger an seine drogensüchtige Mutter. Beide Filme beziehen einen Teil ihrer Suggestionskraft aus einer fantastischen Ebene, die die Wirklichkeit verstärkt und kontrastiert.

Das Thema Migration findet kaum statt

Familiendramen, Beziehungsgeschichten, die unerfüllte Sehnsucht nach Gemeinschaft – das ist es, was die Millennials, die Generation der Anfang 30-Jährigen, zu der die Nachwuchsregisseure meist gehören, umtreibt. Mit „Millennials“, einer melancholischen Berlin-Ballade über bindungsunfähige Großstadtkreative hat Jana Bürgelin auch gleich den Film dazu gedreht. Tian Dongs Doku „Eisenkopf“, die vom Drill in einem chinesischen Internat für Kung-Fu-Fußball erzählt, ist da schon fast ein exotischer Ausreißer. Auch das erwartbare Thema Migration findet kaum statt. Gerade mal zwei mittellange Spielfilme befassen sich damit: „Mikel“ von Cavo Kernich handelt von einem jungen Flüchtling aus Nigeria, der sich in Berlin mit Schwarzarbeit durchschlägt. Und Sebastian Langs „Kontener“ erzählt vom seltsamen Verschwinden einer polnischen Melkerin von einem Brandenburger Milchhof. Es geht um die kleine Fremde vor der Haustür und um die große zwischen den Menschen.

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