Theatertreffen: Über Grenzen springen
Johan Simons wird geschätzt, weil er frei ist von jedem Allürenverdacht. Jetzt hat der Niederländer den Berliner Theaterpreis erhalten.
Im Fußball hat das Bild der dominanten Bayern ja gerade empfindliche Kratzer bekommen. In der Bühnenkunst hingegen zeigt sich die Münchner Überlegenheit, statistisch betrachtet, ungebrochen. 1:4 stehe es nach eingeladenen Inszenierungen aus Berliner Sicht, benannte der Regierende Klaus Wowereit bei der Verleihung des Berliner Theaterpreises im Haus der Berliner Festspiele noch einmal die „nackten Zahlen“. Und witzelte: „Das ist zwar schwer zu ertragen für die Berliner, aber anderswo wird auch herausragendes Theater gespielt.“ Und so ginge eben auch der Preis der Stiftung Preußische Seehandlung, dessen Träger oft eine starke Hauptstadt-Affinität aufwiesen, dieses Jahr nach Bayern. Genau genommen: an einen Holländer in München, den Intendanten der dortigen Kammerspiele Johan Simons, der ab 2015 die Ruhrtriennale leitet.
Der Geehrte nimmt die mit 20 000 Euro dotierte Auszeichnung strahlend im Jeans- und Wollpullover-Look entgegen und ruft ein sympathisch-unspektakuläres „Ich freue mich – wirklich!“ in die Feierrunde. Schließlich wird der 67-Jährige auch für seine Freiheit von jedwedem Allürenverdacht geschätzt. Und natürlich haben die Juroren – Kritikerin Barbara Burckhardt, der Chef der Berliner Festspiele Thomas Oberender, der Intendant des Hans-Otto-Theaters Tobias Wellemeyer sowie, mit beratender Stimme, die Theatertreffen-Chefin Yvonne Büdenhölzer – eine gute Wahl getroffen: „Wenn ein Regisseur für ein Theater steht, das über Grenzen – Sprachgrenzen, Landesgrenzen, Genregrenzen – springt, dann Johan Simons“, heißt es in der Jurybegründung. Der Künstler, der in einem südholländischen Dorf aufwuchs, mit dem von ihm gegründeten ZT Hollandia über die Dörfer zog und auf auf Schrottplätzen spielte, hat schon vor einiger Zeit das getan, was derzeit in aller Munde ist. Nämlich Stadttheater- und Projektästhetik sowie ein tolles internationales Ensemble zusammengeführt und den Münchner Kammerspielen so ihren Spitzenplatz in der theatralen Champions League gesichert.
Die beiden belgischen Ensemble-Stars Kristof van Boven und Benny Claessens schmettern ihrem Chef denn auch ein Ständchen nach dem anderen, während uns Dramaturg Matthias Günther in einem von André Jung gelesenen Text noch einmal Simons’ Theatersozialisation nahebringt. Schlüsselrollen darin spielen neben einem Karl-Valentin- Buch, mit dem der heutige Intendant 1965 – als 18-Jähriger – erstmals an seiner späteren Wirkungsstätte auf der reichen Münchner Maximilianstraße stand (die er allerdings wegen akuten Heimwehs erst mal umgehend wieder verließ), auch Peter Stein, Franz-Xaver Kroetz, Herbert Achternbusch oder Fritz Kortner .
Und die Schauspielstars Sandra Hüller und Thomas Schmauser – zuletzt immer wieder in Simons-Inszenierungen auch auf dem Theatertreffen zu sehen – reüssieren als launiges, die Branche ironisierendes Duo: „Wir wollten doch nicht so eine Laudatio-Laudatio machen, sondern mal was ganz Anderes“, meckert Hüller. Darauf er: „Aber alle wollen immer was Anderes machen!“ Dem Künstler Johan Simons ist das offensichtlich, in aller Unaufgeregtheit, gelungen.