Hip-Hop: Trotz ist Trumpf
Kaputte Ehe, Vatersorgen, Lebenslust: "Life Is Good", das neue Album des New Yorker Rappers Nas.
Es deutet viel darauf hin, dass der Rapper Nasir Jones ein paar Sitzungen bei einem Psychotherapeuten hinter sich hat – um die Trennung von seiner Frau zu verarbeiten, der R&B-Künstlerin Kelis. Nachdenklich sieht man Jones, den man in der Pop- und Hip-Hop-Welt nur unter dem Namen Nas kennt, auf dem Cover seines neuen Albums „Life Is Good“ auf einer schwarzen Ledercouchgarnitur sitzen. Er trägt einen eleganten weißen Anzug. Seine rechte Hand stützt mit erhoben-abgespreiztem Zeigefinger Kinn und Kopf. Und auf seinen Knien liegt ein grüner Hauch von Kleid. Es ist das letzte, das ihm von Kelis geblieben ist, angeblich ein Teil ihres Hochzeitskleides. Sieht schick aus, dieses Cover. Die Bildsprache aber ist eindeutig. Kelis ist weg – und Nas wieder allein. Trotzdem: „Life Is Good“. Auch die bei Hip-Hop-Alben obligat lange Dankesliste ist kurz und ungewöhnlich geraten. „Thank you love...“, heißt es da, „thank you hurt..., thank you fear..., thank you anger..., thank you happiness..., thank you death..., thank you life...“. Der Therapeut von Nasir Jones hat ganze Arbeit geleistet, keine Frage.
Weshalb „Life Is Good“ keine böse Abrechnung mit der Ex geworden ist, sondern eher ein leicht wehmütiges, versöhnliches Hip-Hop-Album mit ein paar Anspielungen wie dem Track „Bye Baby“. Darin erinnert Nas sich noch einmal, wie beeindruckt er seinerzeit war, als er Kelis erstmals ihr „I hate you so much right now“ herausschreien hörte, ihren ersten Hit. Die meisten Geschichten, die Nas jedoch auf „Life Is Good“ erzählt, sind noch weiter in seiner Vergangenheit angesiedelt. Als er in den berüchtigten und gefährlichen Queensbridge Projects im New Yorker Stadtteil Queens aufwächst, selbst ein Scheidungskind; als er sich auf schiefen, kriminellen Bahnen bewegt, wie so viele: „I hung with E-Money“, reimt er in „The Queens Story“, „the fuckin’ truth, there was Stretch from my squad, I could’ve died the same night that Stretch died, I just got out of his ride, he dropped me off then drove to Springfield, November 30th another Queens king killed, it fucked me up y’ all“.
Weshalb er sich als Sohn des Jazzmusikers Olu Dara ebenfalls der Musik zuwendet, von dem weißen Rapper MC Search unter die Fittiche genommen wird und als 19-Jähriger mit „Illmatic“ ein umwerfendes Hip-Hop-Album einspielt. Mit knochentrockenen, zum Teil abstrakten, von Leuten wie DJ Premier und Large Professor geschneiderten Beats, über die Nas leicht heiser, aber flüssig und elegant seine Reime legt, wird „Illmatic“ zu einem Meilenstein insbesondere der neunziger Jahre. Dass andere Gefahren warten – Erfolg- und Lustlosigkeit, Neid, Größenwahn – ahnt der junge Mann nicht.
Nach immer schwächer werdenden Alben bekommt Nas 2006 die Kurve mit einer Art Comeback-Album, das den beziehungsreichen Titel „Hip-Hop Is Dead“ trägt. Seitdem gehört er mit Kanye West und Jay-Z zu den ganz Großen des Genres (auch wenn im Vergleich mit den beiden sein Bekanntheitsgrad in Europa klein ist). Geschickt versteht er es inzwischen, Old-School-Hip-Hop und Mainstream zu versöhnen, die übliche Hip-Hop-Angeberei (Goldketten, dicke Autos, Zigarren) und politisch-gesellschaftliches Bedenkenträgertum zu vereinen.
„Life Is Good“ demonstriert das alles einmal mehr. Bearbeitet von diversen Produzenten, mit einer Gästeliste, auf der Mary J. Blige, die tote Amy Winehouse, Nas’ Mentor Large Professor oder Kollegen wie Rick Ross stehen, enthält das Album 14 stämmige Tracks, die genauso modern sind wie sie den alten, puren, realen Rap feiern. Tracks, die überwältigen, aber auch viele feine Jazz-, Soul- oder Reggaeeinsprengsel enthalten. Am schönsten ist neben dem stampfend-zulangenden „Loco-Motive“ und dem elegischen „Stay“ vielleicht das Stück „The Don“, in dem sich Nas als Pate von New York City stilisiert. Sowie „Daughters“, das er seiner 17-jährigen Tochter Destiny gewidmet hat. „Daughters“ erzählt von der Liebe, den Sorgen und Eifersüchten eines Vaters, „because no one is good enough for our daughters love“.
Und was ist eine in die Brüche gegangene Beziehung schon im Vergleich mit der Liebe zu den eigenen Kindern? Das Leben ist nicht nur gut, es geht auch immer weiter. Gerrit Bartels
„Life Is Good“ ist bei DefJam/Universal erschienen
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