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Hat jemand den Backofen angelassen? Szene aus „Girl from the Fog Machine Factory“
© Sandra Then

Berliner Theatertreffen: Trockeneis und Nebelsekt

Viel weiße Luft beim Theatertreffen: Das Stück „Girl from the Fog Machine Factory“ macht Nebel zum Hauptdarsteller.

Hell und weiß zugleich! Gibt es ein Phänomen, das so klar das Unerklärliche fasst, das Geheimnis der Kunst symbolisch umhüllt? Auf den Nebel als Hauptdarsteller jedenfalls musste endlich mal jemand kommen. In der Literatur (Eichendorff, Thomas Mann „Der Zauberberg“) oder in der bildenden Kunst (Caspar David Friedrich, Olafur Eliasson) sind Nebelspiele oft phänomenal. Im Theater aber oft nur: banal. „Wenn die Regie nicht weiter weiß, greift sie gern zum Trockeneis“, ruft einmal ein Darsteller in der Inszenierung „Girl from the Fog Machine Factory“, die beim Berliner Theatertreffen so einen verdienten Lacher erntet.

Tatsächlich hat der Regisseur Thom Luz sich ein Nebelstück ausgedacht für seine Koproduktion mit der Zürcher Gessnerallee nebst Kampnagel Hamburg, dem Südpol (!) Luzern und manch anderen. Auf der Hinterbühne des Festspielhauses raucht es deshalb aus allen möglichen Rohren, während im Halbdunkel fünf schattenhafte Akteure als Angestellte einer gerade pleitegehenden Nebelmaschinenfabrik umherhuschen. In ihrer musikalischen wie melancholischen Verzweiflungskomik wollen sie alle die Firma mit immer neuen Pustekucheneinfällen nochmal fit kriegen für den offenbar längst vernebelungsübersättigten Weltmarkt. Doch sind sie mit Zimmerventilatoren und Gummischläuchen die letzten Analogen, selbst das Bakelittelefon des Chefs hat noch Wählscheibe und Strippe.

Slow-Mo und Dada

Während die aus kuriosen Apparaturen erzeugten Nebel hin und her wabern, manchmal kunstvoll ins Publikum schwebende Rauchkringel entfachen oder, in Plastikfolien eingefangen, zu milchigen Schwebewesen werden, ertönen leise Madrigale von Orlando di Lasso, alte Schlager oder Liedfetzen von Francis Poulenc. Es wird überhaupt viel gesummt und gegeigt – und ja: Auch die Cellosaiten lassen sich mitunter an rotierende Ventilatorblätter halten. Dieser Kniff entlockt hübsche Sphärenklänge – und wieder ein paar Lacher. Es marthalert so gut 70 Minuten dahin. Musik, Slow Motion, gepflegte Tristesse und ein bisschen Dada. Am komischsten ist dann der Einfall, zur Feier des Abends auch Nebelsekt zu servieren. Eine Spielerin füllt den anderen in ihre Kelche einfach genau dosierte weiße Luft. Wie Schaum ohne Wein.

Irgendwie ist das alles eine Art Molekulartheater. Nichts als Schall und Rauch. So aber gerät man ins Grübeln, denkt beispielsweise nach über die mögliche Feinstaubbelastung durch derart viel Trockeneisverpuffung. Oder überlegt, wie diese weißschwarze Luftnummer überhaupt in ein Theater(besten)treffen geraten ist. An der angepeilten Genderquote kann’s nicht liegen. Der Regisseur und der Nebel sind männlich, selbst das Titel-Girl von der Fog Machine Factory bleibt in dem Ensemble aus drei Männern und zwei Frauen nebulös.

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