Show: Triumph in Moll
Am Ende des Regenbogens: Katharine Mehrling singt und spielt im Berliner Schlossparktheater.eine grandiose Judy Garland
Der ausverkaufte Saal tobt vor Begeisterung – und sie ist allein. Die Nation hängt vor dem Radio – und sie ist allein. Millionen wollen ihre Filme im Kino sehen – und sie ist allein. Die Liebe der Massen, und sei sie noch so ausdauernd und tief empfunden, ist nicht in der Lage, dem Star das Gefühl der Geborgenheit zu geben. Zumindest nicht Judy Garland, so, wie sie der britische Autor Peter Quilter in seinem Stück „End of the Rainbow“ beschreibt. Als Frances Ethel Gumm 1922 in Minnesota geboren, steht sie von Kindesbeinen an auf der Bühne, erst zusammen mit ihren Schwestern als Pausenunterhaltung im väterlichen Lichtspielhaus, ab 1936 dann in Hollywood. 35 Filme hat sie gedreht, den „Zauberer von Oz“ natürlich, aber auch „A Star is Born“ oder „Meet me in St. Louis“, 60 Radioshows gemacht, 1800 Livekonzerte gegeben. 1968, in dem Moment, wo Quilters Biografical einsetzt, liegen vier Jahrzehnte Showbusiness hinter ihr – und vier gescheiterte Ehen. Gerade hat sie zusammen mit dem Nachtclubbesitzer Mickey Deans, ihrem künftigen Gatten Nr. 5, in London eine Comebackshow herausgebracht. Sechs Wochen lang soll sie im „Talk of the Town“ auftreten, doch ihre körperliche wie seelische Gesundheit ist durch Tabletten und Alkohol schon längst zu sehr zerrüttet, als dass sie so einen Aufführungsmarathon durchhalten könnte.
Bei der Berliner Erstaufführung des 2005 in Sydney herausgekommenen, inzwischen auch im Londoner West End wie am Broadway laufenden Stücks spielt Katharine Mehrling das ewige Showgirl mit einer derartigen Intensität, stülpt das Innenleben der frühalten Diva auf so ergreifende Weise nach außen, dass die Zuschauer im Schlossparktheater den Atem anhalten. Am Ende des Abends, wenn Judy Winter und Klaus Wowereit als Erste aufspringen, um Katharine Mehrling für ihre bewegende Darstellung mit stehenden Ovationen zu danken, ist man fest entschlossen, überhaupt nie mehr zu Shows von Entertainmentstars zu gehen. Weil wir, die Fans, sie doch mit unserer Zuneigung aussaugen, vom echten Leben entfremden, in die Einsamkeit, in die Drogenabhängigkeit treiben. Siehe Elvis Presley, siehe Marilyn Monroe, siehe Michael Jackson. Judy Garland ist mit 47 Jahren gestorben. Ihre älteste Tochter heißt übrigens Liza Minelli.
Formal ist Quilters Stück eines dieser well made plays für unsubventionierte Bühnen. Drei Personen, wenige Schauplätze müssen genügen, um ein Maximum an Emotionen freizusetzen. Die Dialoge sind ebenso knapp wie treffend (Übersetzung: Horst Johanning), Judys Partner, Mickey, der Lover (Torben Krämer), und Anthony, der Pianist (Christoph Schobesberger), die sie beschützen wollen und es doch nicht können, werden als ambivalente Charaktere gezeichnet (Regie: Folke Braband). Tür und Fenster, eine Sitzgarnitur im Louis-XV.-Stil, ein Flügel und eine Servierwagen-Bar deuten die Suite im Ritz an (Ausstattung: Stephan Dietrich), in den Showszenen strahlen, überlebensgroß, die Buchstaben „Judy“ vom Hintergrundprospekt. Dafür leistet man sich im Schlossparktheater eine sechsköpfige, von Ferdinand von Seebach angeführte Band. Die kraftvoll zu Judy Garlands Hits aufspielt, zu „The man that got away“, zu „When you’re smiling“, zu „Swanee“.
Wer weiß, was für eine blühende Erscheinung Katharine Mehrling in der Realität ist, verneigt sich vor der Arbeit der Maskenbildner. Und vor einer Musiktheaterdarstellerin, die mit ihren Gesangsnummern jedes Mal echten, begeisterten Jubel im Saal auslöst, deren Körpersprache ununterbrochen Hilfeschreie aussendet. Mal lauter, in den grandiosen Zickenattacken, dann wieder ganz leise. Am Ende sitzt sie mit verschmiertem Make-up an der Bühnenrampe, singt ganz allein, in sich hinein, den Anfang von „Somewhere over the rainbow“. Eine vom Wege Abgekommene, eine moderne Traviata. Frederik Hanssen
Vorstellungen vom 9. bis 13. September sowie im November und Dezember.
Frederik Hanssen
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