Interview: Trinken auf Rädern
Rocko Schamoni, Heinz Strunk und Jacques Palminger arbeiten seit 1998 unter dem Namen Studio Braun zusammen. Die Hamburger verstehen sich als eine humoristische Gegenoffensive. Sie haben ihre eigenen Bücher auf die Bühne gebracht: „Fleisch ist mein Gemüse“ (Strunk) oder „Dorfpunks“ (Schamoni). Nun inszenieren sie am Deutschen Theater Berlin das Musical „Fahr zur Hölle, Ingo Sachs – ein musikalisches Charles-Bronson-Projekt“.
Herr Schamoni, Herr Strunk, Herr Palminger, gibt es eine Hamburger Humorschule?
ROCKO SCHAMONI: Ich finde solche Schubladen schwierig. Der Nordhumor ist anders als der Süd- oder Ost-Humor. Vielleicht etwas englischer, lakonischer, trockener. Es gibt in der Hamburger Kulturszene einige Leute, die mit diesem Humor arbeiten. Schorsch Kamerun und die Goldenen Zitronen oder Deichkind.
JACQUES PALMINGER: Der Berliner hat traditionell keine Aufsicht auf das, was er tut. Und keine Selbstironie. Da war der Hamburger immer etwas sophisticated. Aber Berlin-Bashing funktioniert nicht mehr.
Sie alle sind auch solo erfolgreich. Was hält Sie eigentlich noch zusammen?
SCHAMONI: Liebe.
PALMINGER: Respekt.
HEINZ STRUNK: Vertrauen.
SCHAMONI: Allein arbeiten ist stupide, da wird man zur spiegelnden Fläche, setzt sich immer nur mit sich selbst auseinander. Das kann wahnsinnig öde sein. Wenn wir zusammen etwas schreiben, treffen wir uns jeden Tag mehrere Stunden. Das empfinde ich als Freiraum.
STRUNK: Es ist freudvoller. Wir kennen uns schon lang und pflegen einen vorbildlichen Umgang. Jede Runde beginnt mit Gequatsche – wer mal wieder welche Depression hatte. Oder ausnahmsweise mal etwas Schönes erlebt hat. Studio Braun begreift sich als lebenslange Gemeinschaft.
Eine schöne Perspektive fürs Älterwerden!
STRUNK: Ich werde nächstes Jahr 50. Schon aus sportlichen Gründen muss es das Ziel sein, dass Studio Braun nie auseinandergeht. Ich finde auch Henning Scherfs Idee der Alters-WG toll. Ein schönes Haus in Hamburg oder Berlin – das wär’s.
Und wie werden Ihre Grundbedürfnisse befriedigt?
SCHAMONI: Ich denke da an Trinken auf Rädern.
Haben Sie keine Angst, dass die Schaffenskraft nachlässt?
SCHAMONI: Solange die Depression erhalten bleibt, werden wir das braune Gold aus dem Schacht der Trübsal herausschlagen. Das gilt für Heinz und mich, Jacques hat da mittlerweile eine andere These.
Herr Palminger, wieso das denn?
PALMINGER: Ich habe seit Neuestem das Pech, dass ich aufwache und gute Laune habe. Das ist anstrengend!
SCHAMONI: Vor allem für uns!
Wie funktioniert die kollektive Autorschaft? Wird über jeden Satz diskutiert?
SCHAMONI: Die beste Idee gewinnt – die muss noch nicht mal von uns sein.
„Fahr zur Hölle, Ingo Sachs“ wird als Projekt über Charles Bronson angekündigt. An was für einem Männerbild arbeiten Sie sich da ab?
SCHAMONI: An dem traurigsten, das wir finden konnten. Aber das zentrale Thema ist nicht Charles Bronson und auch nicht Charles Manson. Es geht eigentlich um Hierarchien und den Druck, den bestimmte Personen ausüben.
Muss das Publikum sich auf karge Dialoge einstellen?
SCHAMONI: Es wird einen unterbeschäftigten Schauspieler geben. Die anderen werden Wortpolonaisen ablassen, wie man sie noch nicht erlebt hat.
Schreiben Sie sich die Gags auf den Leib?
SCHAMONI: Von der Zunge auf den Leib! Wir können ja mit der schauspielerischen Leistung der DT-Akteure nicht mithalten, deshalb müssen wir ein paar Kernsätze für uns zurückhalten.
STRUNK: Unsere Schwächen sind unsere Stärken.
Experimentieren Sie auch musikalisch?
STRUNK: 16 Musiker stehen auf der Bühne – eine abgespeckte Big Band.
SCHAMONI: Sebastian Hoffmann hat unsere Songs opulent arrangiert. Mit diesem Projekt geht für mich ein Traum in Erfüllung: Ich habe mir immer gewünscht, dass meine Songs von einem Orchester gespielt werden und nach Serge Gainsbourg oder Charles Aznavour klingen. Aber ich hatte nie die Mittel dazu, oder die glanzvolle Stimme, so dass mir die Welt ein Orchester zur Verfügung gestellt hätte. Aber jetzt ist es da!
Das Gespräch führte Sandra Luzina. Premiere heute, 18.11., 19.30 Uhr im Deutschen Theater. Wieder am 19., 26. u. 27. 11.
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