Comic-Palindrom: Träumen und Suchen
Marc-Antoine Mathieu gehört zu den großen Philosophen des Comics. Jetzt wurde sein frühes Werk „Der Anfang vom Ende“ neu aufgelegt. Es zeigt den Franzosen allerdings noch nicht auf der Höhe seiner Kunst.
Das Fazit steht bereits am Anfang: „Bei diesem Spiel verliert man nie. Aber man gewinnt auch nicht“, heißt es gleich auf den jeweils ersten Seiten von Marc-Antoine Mathieus von vorne wie von hinten her lesbarem Comic „Der Anfang vom Ende“.
Die Sätze sind unfreiwillig entlarvend. Denn wer dem Franzosen durch seine kafkaeske Traumnovelle folgt, in der wir den Angestellten Julius Corentin Acquefacques auf dem Weg zur Arbeit begleiten, wo er einen Termin hat, zu dem er zu früh oder auch zu spät ist, der kann sich zum einen zwar an den hart kontrastierten Schwarz-Weiß-Bilden sowie der ulkigen Wendung, dass der Comic in der Mitte auf den Kopf kippt, erfreuen. Zum anderen aber muss er sich nach eingehender Betrachtung auch fragen, was ihm der Autor mit den Achterbahnfahrten durch Häuserschluchten und Ionesco-esken Quatsch-Dialogen sagen will.
Handelte es sich bei seinen anderen Werken wie beispielsweise „3 Sekunden“ um kunstvoll gestaltete Erkenntnisphilosophie, bietet dieses bereits 1996 einmal bei Carlsen verlegte Buch wenig mehr als verschrobene Absurditäten. Bei genauer Betrachtung ist die Erzählung auch viel weniger durchdacht komponiert, als es zunächst den Eindruck erweckt. So treffen sich die gespiegelten Geschichten zwar in der Mitte des Buches, ergänzen sich jedoch nur bedingt und verändern dadurch mitnichten den Blickwinkel auf das vorher Gelesene. Das wäre Mathieu heute nicht mehr passiert.
Dazu kommt, dass die Verkehrtheit der Traumwelt des in mehreren Büchern Mathieus auftauchenden Protagonisten Acquefacques – ein, wie es im Untertitel heißt „Gefangener der Träume“, dessen Nachname sich rückwärts ausgesprochen wie Kafka anhört – alles andere als schlüssig ist: Warum beispielsweise sagt der hier alles verkehrt herum machenden Held zwar zur Begrüßung „Auf Wiedersehen“, antwortet auf die Frage „Und Sie laufen immer andersherum?“ dann aber korrekt mit „Ja …“?
Träume seien auch häufig verwirrend und unlogisch, mag man zur Verteidigung Mathieus einwerfen, und verschenkt ist die mit der Lektüre verbrachte Zeit sicherlich nicht. Klar aber ist, dass es sich hier mitnichten um eines der stärksten Werke des Franzosen handelt. Bei seinen späteren Büchern kann man nämlich nicht nur nicht verlieren, sondern durchaus etwas gewinnen: interessante Erkenntnisse zum Beispiel.
Marc-Antoine Mathieu: „Der Anfang vom Ende“, aus dem Französischen von Harald Sachse, Lettering Monika Weimer, Reprodukt, 52 Seiten, 12 Euro
Moritz Honert
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