Slevogt und Klee im Albertinum: Traum vom Anderen
Max Slevogt und Paul Klee reisten beide zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Ägypten. Zwei Auffassungen vom Orient, die nun im Albertinum in Dresden zu sehen sind.
Zwei Männer auf Dromedaren spähen von einem Berg auf die hellgelbe Wüste, die ihnen zu Füßen liegt. Am Horizont ein Höhenzug, fahlblauer Himmel. Die dunkel heranziehenden Wolken verheißen nichts Gutes. Rechts oben kreist ein Vogel über der Szenerie. Die beiden Dromedare sind, so scheint’s, mit raschen Pinselstrichen auf die Leinwand gebracht, die Reiter sind als solche nur durch ihre schwarzen Gewänder und die weißen Turbane angedeutet. Ihre Tiere werfen Schatten auf den grau-rotbraunen Fels, der ebenfalls mit wenigen schnellen Pinselstrichen gemalt wurde. Eine beeindruckende Momentaufnahme in der Nähe von Assuan, gemalt am 12. März 1914 ab 14 Uhr – vor Ort.
„Sandsturm in der Libyschen Wüste“ ist eines der herausragenden Gemälde des deutschen Impressionisten Max Slevogt (1868–1932), das dieser während seiner Ägyptenreise vor hundert Jahren geschaffen hatte. Die Bilder sind nun zusammen mit jenen von Paul Klee (1879–1940), der selbst um die Jahreswende 1928/1929 eine Ägyptenreise unternommen hatte, in einer eindrucksvollen Doppelausstellung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden im Albertinum zu sehen. Zwei Reisen mit völlig unterschiedlichen Resultaten.
Die Tunisreise von Paul Klee, August Macke und Louis Moilliet im April 1914 ist in die Kunstgeschichte eingegangen und zu Recht berühmt geworden. Die Ägyptenreise von Max Slevogt ist dagegen längst nicht so bekannt. Dafür bietet sie dem heutigen Besucher des Albertinums manche Überraschung.
Eduard Fuchs dokumentierte Slevogts Malexpedition in seinem Tagebuch
Slevogt hatte sich schon immer für den Orient interessiert, die Erzählungen von 1001 Nacht hatten seine Fantasie beflügelt und zu vielen Illustrationen inspiriert. Es war der Reiz des Anderen, des Exotischen, des Abenteuerlichen und Erotischen, den er zunächst in seinen großformatigen Gemälden in braunen Rembrandt-Farben ausgedrückt hatte, etwa „Scheherezade (dem Kalifen die Geschichten aus 1001 Nacht erzählend)“ von 1897 – Orientalismus in Reinkultur.
Slevogt reizte es, nach Ägypten zu reisen, um an Ort und Stelle das Leben zu erkunden und zu malen. Da er sich nicht wie Macke aufs Aquarellieren beschränken wollte, bereitete er seine „Malexpedition“ akribisch vor, nahm Kontakt auf zu Ludwig Borchardt, dem Direktor des Instituts für Ägyptische Altertumskunde in Kairo und Entdecker der Nofretete. Dieser riet ihm, sicherheitshalber seine Malutensilien mitzubringen. Slevogt nahm nicht nur zwei Malkisten mit auf gespannten Leinwänden in vier Formaten mit, sondern ließ sich von dem Kulturwissenschaftler und Kunstsammler Eduard Fuchs, dem Kunsthistoriker Johannes Guthmann sowie dem Historiker Joachim Zimmermann begleiten. „Sie organisierten für ihn die Reise, sodass Slevogt sich wirklich nur um das Malen kümmern musste“, erzählt Kuratorin Heike Biedermann.
Vor allem Fuchs ist es zu verdanken, dass wir nahezu akribisch über diese Expedition informiert sind. Er hat nicht nur in seinem Tagebuch festgehalten, wann und wo unter welchen Umständen Slevogt seine Bilder gemalt hat, sondern er hat dem Meister bei der Arbeit über die Schulter geschaut, und so Maler und Motiv mit der Kamera festgehalten. Einige dieser Fotos sind ausgestellt. Man könnte meinen, dass Slevogt sein oben genanntes Gemälde mit den Dromedaren in der Wüste nach einem Lichtbild von Fuchs gemalt hatte. Doch Slevogt malte nur in Ägypten – und nach der Reise nie wieder. Macke hingegen hatte viele seiner Aquarelle mit Hilfe eigener Fotos aus Tunis später erst zu Hause umgesetzt. Es ging ihm um den authentischen Augenblick.
Die weite Landschaft zwingt zur Reduktion
Slevogt scheute sich nicht, ein begonnenes Bild trotz eines heraufziehenden Sturms in der Wüste fertig zu malen. Ungefährlich war das nicht, die große Leinwand bot dem Wind genügend Angriffsfläche, sodass mehrere Helfer große Mühe hatten, alles festzuhalten. Auf dem Gemälde „Nilbarke bei den Granitfelsen“ konnten die Wissenschaftler des Museums unter dem Mikroskop Sandkörner nachweisen, die im Sturm auf die nasse Ölfarbe geweht worden waren und so den Beweis liefern, dass Slevogt seine Wüstenbilder tatsächlich am Ort gemalt hat.
Ägypten hat Slevogts zuvor bevorzugte Farbwahl verändert, die Gelb- und Sandtöne dominieren jetzt und stehen im Kontrast zum Blau des Himmels. Die weite Landschaft zwingt automatisch zur Reduktion. Mit wenigen dunklen Figuren setzt Slevogt Akzente und schafft Tiefe wie etwa in dem wunderbaren Bild „Sudanesische Frauen“, das er am 27. Februar 1914 gemalt hat, zwischen 10. und 13 Uhr, wie wir aus Fuchs’ Tagebuch wissen. Zwei Frauen in fast schwarzen Burkas kommen auf den Betrachter zu, werfen in der Mittagssonne nur kurze Schatten.
Im Hintergrund eher angedeutet mit wenigen beigefarbenen Strichen erahnt man die Lehmbauten eines Dorfes, der blaue Himmel mit weißen Schlieren signalisiert brütende Hitze. Auch dieses Motiv hat Fuchs auf einem Foto festgehalten. Beeindruckend auch die beiden Bilder aus dem überdachten Basar von Assuan. Hier und da bricht sich das Licht Bahn in den dunklen Gassen und hinterlässt dicke gelbe und weiße Farbstreifen, die Menschen gerade noch als Schemen erkennbar. Genau so war es – und ist es wohl heute noch.
Der Kontrast zu Klee könnte nicht größer sein
Abenteuerlich war es, im Gedränge des Basars die Staffelei aufzustellen und zu malen. „Ein Polizist sorgte während der Arbeit für Fernhaltung allzu aufdringlicher Elemente; für Fernhaltung der Fliegen freilich ---?“, notierte Johannes Guthmann in Assuan. Fast sensationell sind zwei kleinformatige Gemälde auf Holz, die Slevogt nach einigen Mühen und Bakschisch in der Moschee Gami el-Muajid in Kairo malen durfte. Schnell ist das Interieur skizziert, ein Imam mit seinen Schülern, Turban und Gewand.
Wenige Pinselstriche geben den Menschen Gestalt. Beeindruckend sind die Aquarelle, die Slevogt während der Reise angefertigt hat. Inszeniert ist der Ausstellungsteil mit den Bildern Slevogts auf orange-roten Wänden zusätzlich mit großformatigen historischen Aufnahmen aus Ägypten, die dem Besucher ein wenig von der Faszination des Landes vermitteln.
Der Kontrast zu den Bildern Paul Klees, der vom 17. Dezember 1928 bis zum 17. Januar 1929 unter ganz anderen Bedingungen unterwegs war und dessen Bilder vor kühl-grauen Wänden präsentiert werden, könnte größer nicht sein. „Von Klee ist bekannt“, erzählt Heike Biedermann, „dass er im Wesentlichen die Eindrücke seiner Reise zu Hause im Atelier verarbeitete. Dennoch hat er sich mit Ägypten und vor allem seiner Geschichte und Archäologie beschäftigt. Die Entdeckung des Grabs von Tut-Ench-Amun 1922 durch Howard Carter hatte die Begeisterung für die Kultur des alten Ägypten noch angefacht.“
Tiere, Hieroglyphen und das helle Licht des Südens
Klee interessierte sich für die Religion, aber auch für die Architektur und die Hieroglyphen des alten Ägypten. Pyramiden tauchen schon vor seiner Reise in seinen Gemälden auf wie etwa in „43“, einem Aquarell auf Gips und Gaze mit einer Pyramide und einer roten Sonne. Wie eine Vorwegnahme des Ägyptenerlebnisses scheint das Aquarell „einsames“, ein helles Dreieck aus verschieden farbigen Streifen, das in einer rötlich-gelb markierten Landschaft steht. Hier kündigen sich die sogenannten Lagenbilder an, bei denen Klee nach altem ägyptischen Maß und inspiriert durch den Anblick vermessener Felder die Landschaft in Streifenblöcke im Verhältnis eins zu zwei zu vier zu acht unterteilte. Klees Bilder sind abstrakt, doch steckt in ihnen immer ein erlebtes Vorbild aus der Natur. Das lässt sich an einem Bildschirmterminal überprüfen.
Die Landschaften durchsetzt Klee mit stilisierten Tieren und Zeichen, die durchaus Verwandtschaft mit Hieroglyphen erkennen lassen. Das helle Licht des Südens findet sich nach der Reise vor allem in Klees Lagenbildern. In „junge pflanzung“ 1929 kombiniert Klee seine Vorliebe für pastellige Streifenfelder, in die er nun Zeichen und Pflanzen einzeichnet – Schriftbild oder Plantage? Der Einfluss der ägyptischen Landwirtschaft und die Kenntnis der ägyptischen Hieroglyphen liegen auf der Hand. Ein altägyptisches Totenbuch und verschiedene Artefakte aus der Sammlung des Albertinums stellen den Bezug zu den Altertümern her. Sie haben besonders sein Spätwerk beeinflusst wie etwa in dem Gemälde „Legende vom Nil“ von 1937.
In späteren Bildern taucht immer wieder die Sphinx auf, die Farbe wird dunkler und auf „ein Blick aus Aegypten“ scheint er sich selbst gemalt zu haben.Ägypten hat Klee immer fasziniert, wenngleich es bei der Ankunft im Vergleich zu Tunesien schlechter abschnitt: „Im Einzelnen ist nach meiner Erinnerung eine tunesische Stadt reiner und ganz sicher sind die Moscheen von Kairuan nicht zu vergleichen (sind sehr barock hier)“, schrieb er am 25.Dezember 1928 aus Kairo an seine Frau. Je weiter er allerdings nach Süden vordrang, desto begeisterter wurde er.
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