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Rapperin und Sängerin Angel Haze aus New York.
© Mathieu Young

Album "Dirty Gold": Tränen, Tiraden und Triumphe: Das Debüt von Angel Haze

Die New Yorker Rapperin und Sängerin Angel Haze bringt ihr lange angekündigtes Debütalbum „Dirty Gold“ heraus. Es zeigt das immense Talent der 22-Jährigen - und ihre Top 40-Ambitionen.

Der Wutausbruch dauert fünf Minuten und ist in ein Dutzend kleine Portionen unterteilt. „Mir ist egal, was später passieren wird. Sie bekommen die Musik, die ihnen versprochen wurde. Und ihr Typen könnt vielleicht mal lernen, euer Wort zu halten“, heißt es etwa. Und kurz darauf: „Hier ist das Album, hier ist DIRTY GOLD. Ich hoffe, es gefällt euch.“

Rapperin Angel Haze twitterte sich kurz vor Weihnachten den Frust von der Seele und stellte dann ihr Debütalbum gratis ins Netz. Solche Leaks vor dem eigentlichen Veröffentlichungstermin versuchen Plattenfirmen mit allen Mitteln zu verhindern. Dass eine Band oder eine Sängerin, die bei einem Major Label unter Vertrag steht, ihr eigenes Album inklusive Beschimpfungstirade gegen eben dieses Label herausschleudert, ist bisher einmalig. Funktioniert hat es allerdings nur für wenige Minuten: Auch Management und Plattenfirma verfolgten die Tweets der impulsiven 22-Jährigen. Der Link zum Album wurde umgehend kassiert.

Man kann Haze’ Aktion als Selbstsabotage sehen, doch aus ihrer Sicht war sie ein Erfolg, denn sie veranlasste Island Records dazu, ihr Album in den USA und Großbritannien bereits am 30. Dezember herauszubringen, statt erst im März. Damit konnte die Rapperin ihr Versprechen an die Fans halten, noch 2013 ihr Debütalbum zu veröffentlichen. Seit Montag ist es auch im Rest der Welt erhältlich, allerdings zunächst nur als Download.

Die Ungeduld von Angel Haze (bürgerlich: Raykeea Wilson) wird beim Hören von „Dirty Gold“ nachvollziehbar, das mit jedem der zwölf Songs die großen Ambitionen der in Detroit geborenen und in New York lebenden Rapperin und Sängerin demonstriert. Der Opener „Sing About Me“ startet zu flackernden Keyboards direkt mit der gesungenen Hookline, bevor Haze einen jener Hochgeschwindigkeits-Raps abfeuert, die sie auf ihren frühen EPs zum Markenzeichen machte. Von der reduzierten Produktion dieser Minialben wendet sie sich nun unter der Ägide des Produzenten Markus Dravs (Coldplay, Arcade Fire) in eine Top 40-kompatible Richtung. Rihanna, Macklemore, Drake und der frühe Kanye West sind die Orientierungspunkte. Gut zu hören etwa in „Battle Cry“ mit Gastsängerin Sia, deren Part stark an Rihanna erinnert, oder bei „April’s Fool“, das ein von MGMTs „Kids“ inspiriertes Keyboard-Quietschen mit einem entspannten Kanye-West-haften Beat verknüpft. Ein chartverdächtiger Ohrwurm ist auch „Deep Sea Diver“.

Die Schroffheit früher Tag blitzt einige Male auf, etwa bei „Black Dahlia“. Darin wendet sich die Rapperin an ihre Mutter, die Haze nach den Regeln einer strengen Pfingstkirche aufzog, aber nicht verhinderte, dass ihre Tochter mehrfach missbraucht wurde. Letzteres thematisierte Angel Haze bereits in ihrer Version von Eminems „Cleaning Out My Closet“ – eine Art Teufelsaustreibung. Anders als einst ihr Detroiter Vorbild geht sie versöhnlich mit ihrer Mutter um, imaginiert sogar ein besseres Leben für sie: „But if I could wish for one thing, I’d go back and I’d fix it/I’d tackle all your obstacles and kill them with precision/And better the intentions of every single person“, rappt sie mit schneidender Stimme. Leider verwässern fiese Emo-Gitarren das Stück immer wieder.

„Dirty Gold“ ist ein relativ abgeklärtes Popalbum, das Angel Haze’ immenses Talent gut in Szene setzt, ohne dabei sonderlich zu überraschen. Allerdings ist Haze nun durch den Veröffentlichungscoup Siegerin im Schneckenrennen der Rap-Newcomerinnen um den Titel „Wer bringt als erstes sein ewig angekündigtes Debüt heraus“. Hinter sich gelassen hat sie dabei die Kolleginnen Iggy Azalea und Azealia Banks, die wie Haze einen kleinen Internet-Hype hinter sich haben, von großen Firmen unter Vertrag genommen wurden und mit ihren Alben auf sich warten lassen. Bei diesen Hängepartien stehen allerdings vor allem die Label in einem schlechten Licht. Zwar profitieren sie von der Publicity, die die Rapperinnen durch ihre online veröffentlichten Mixtapes und Videos unabhängig von ihnen generieren. Doch sie tun sich offensichtlich schwer, die richtigen Strategien für diese von der Unmittelbarkeit und Spontanität des Netzes geprägten Generation zu finden. Eine dauernd postende und tweetende Angel Haze, die sich auch schon werbewirksam mit Azealia Banks gefetzt hat, versteht eben nicht, warum ein seit Monaten fertiggestelltes Album weitere Monate unter Verschluss gehalten werden soll. Da kann man schon mal ausrasten.

„Dirty Gold“ erscheint bei Universal.

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