Florian Henckel von Donnersmarck: Tourist im eigenen Land
Florian Henckel von Donnersmarck in Berlin: eine Nahaufnahme des erfolgreichsten Debütfilmers der deutschen Filmgeschichte.
Nun hat Florian Henckel von Donnersmarck mit seinem Cousin „KT“ nicht nur das uralte Adelsgeschlecht, die Hoffnungsträgerschaft, das Sendungsbewusstsein und die lebhaft interessierte Öffentlichkeit gemein, sondern auch das Sperrfeuer der Kritik. Während die Anfeindungen an Verteidigungsminister Guttenberg aber bislang abperlen wie an einem imprägnierten Regenmantel, steht sein nach Hollywood aufgestiegener Vetter im Moment eher im Regen. Trotz der Golden-Globe-Nominierungen.
Wird einer wie Donnersmarck nervös, wenn ihm seit dem Oscar für „Das Leben der Anderen“ erstmals scharfer Wind entgegenweht? Wenn er als erfolgreichster Debütfilmer der deutschen Filmgeschichte mit seinem ungeduldig erwarteten zweiten Werk am Startwochenende nur Platz zwei in den US-Charts belegt, trotz Angelina Jolie und Johnny Depp? Und wie geht es ihm mit den nicht eben zart besaiteten Verrissen seines romantischen Thrillers „The Tourist“, diesseits und jenseits des Atlantiks?
Vor der Europapremiere sitzt der 37-Jährige im Berliner Hotel Adlon auf dem Podium neben Jolie und Depp (siehe Seite 9). Dunkler Anzug, weißes Hemd, offener Kragen, gegeltes Lockenhaar über der hohen Stirn. Er neigt den Kopf leicht nach links, überhaupt hat man den Eindruck, dass der Zwei-Meter-Mann es gewöhnt ist, sich seinen Mitmenschen freundlich entgegenzubeugen. Meistens senkt er bescheiden die Augen oder schaut auf seine beiden Stars, manchen fragenden Journalisten lächelt er unverwandt an. Aber der Blick kann auch sehr sehr schmal werden, die Lippen ebenso. Donnersmarck hat all das drauf: Höflichkeit, Distinktion, wohlerzogener Charme, Stilsicherheit, verhaltende Jovialität: Adel verpflichtet – und verzichtet auf Protz und Getue.
Warum er Agentenfilme liebt? Das habe er gar nicht im Sinn gehabt. Aber dass man ständig überwacht werde, sei doch Teil unseres Lebens. „Sehen Sie“, sagt er und schaut sich im Saal um, „Sie beobachten uns, die Sicherheitsleute beobachten Sie, und alle haben wir Mobiltelefone in der Tasche, so dass jederzeit klar ist, wo wir uns aufhalten.“ Somebody is watching you: Man ahnt, wie es sein muss, in einem Tradition und Werten unbedingt verpflichteten Familienclan aufzuwachsen. Unser Mann in Hollywood, ein Selfmade-Mann im Musterknaben-Outfit, einer mit bester Kinderstube, der die Frage nach der mangelnden Chemie zwischen Jolie und Depp mit sanfter Autorität pariert, nämlich mit dem passenden Sydney-Pollack-Zitat: Es gibt keine Chemie zwischen Stars, nur gute und schlechte Schauspieler ...
Bei der Frage nach der schlechten Presse zögert der Regisseur kurz, modelliert die Worte mit seinen großen schlanken Händen. „So sehr einen gute Kritiken freuen, so sehr trifft es ...“ – Donnersmarck wahrt die Contenance – „... doch zu, dass man Filme nicht für Kritiker macht. Man hat sich letztlich nur selber als Maßstab. Weiß ich, was ich mache? Wenn ich diese Frage bejahen kann, dann kann man sich auch über vieles hinwegsetzen.“ Und hinwegtrösten, fügt er hinzu. Da ist es wieder, das Entgegenkommen.
Nein, er fürchtet die Meute nicht. Niederlagen? Sind falsche Zuschreibungen. Als Angelina Jolie ihm erneut Komplimente macht und er ihr dankbar über den Rücken streicht, ist es eine Geste von weltmännischer Eleganz. Christiane Peitz
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