Werkschau im Forum ehrt Yasujiro Shimazu: Tokio, mon amour
Etliche seiner Filme der dreißiger Jahre erzählen von Frauen, die zwischen den Werten des alten und modernen Japans hin und her gerissen sind: Eine Werkschau im Forum ehrt Yasujiro Shimazu.
In der Asakusa-Oper treffen allabendlich japanische Sänger in Carmen-Kostümen auf ein johlendes Publikum. Es ist ein buntes Treiben, mitten im alten Vergnügungsviertel, doch die Künstler werden von Tokios Bürgern wenig respektiert. Als eine junge Sängerin gedrängt wird, sich einem Mäzen hinzugeben, schließen sich Kollegen und Verehrer zu ihrem Schutz zusammen. The Lights of Asakusa zeichnet ein lebendiges Bild des Theatermilieus der dreißiger Jahre. Doch der Film ist vor allem eine Variation auf die shomin-geki, jene häuslichen Dramen aus dem Milieu der Arbeiter oder Kleinbürger, für die Yasujiro Ozu berühmt werden sollte.
Ein früher Meister dieses Genres war Yasujiro Shimazu (1897–1945). Etliche seiner Filme der dreißiger Jahre erzählen von Frauen, die zwischen den Werten des alten und modernen Japans hin und her gerissen sind. Das Forum ehrt Shimazu mit einer kleinen Werkschau als einen der Wegbereiter der goldenen Zeit des japanischen Kinos. Denn noch Anfang der zwanziger Jahre war der japanische Film stark vom traditionellen Theater geprägt.
Nach dem Kanto-Erdbeben, das die meisten Studios in Tokio zerstörte, setzten sich westliche Einflüsse in Japan allerdings fast schlagartig durch. Die Filmemacher waren gezwungen, das formalistische Kino dem Realismus zu öffnen. Zu dieser Zeit setzte sich in Japan eine bis heute wirkmächtige Aufspaltung durch: die Neue Schule bevorzugte zeitgenössische Dramen und ließ sich vom Westen inspirieren; die Alte Schule sah sich weiterhin den Samurai-Stoffen verpflichtet.
Das Studio Shochiku, 1920 gegründet und später Heimat berühmter japanischer Regisseure, wurde zum Impulsgeber für die Neue Schule. Henry Kotani, ein in Hollywood arbeitender Kameramann, zeigte den Kollegen, wie man nach amerikanischer Art die Szenen in eine Abfolge von Einstellungen unterteilte. Es war Yasujiro Shimazu, der daraus als erster einen persönlichen Stil entwickelte.
Shimazu entfaltet seine städtischen Alltagsgeschichten mit feiner Behutsamkeit, beispielhaft in seinem Melodram So Goes My Love über ein junges Paar, das in Armut lebt, weil die Familie mit der Heirat nicht einverstanden ist. Shimazus Filme wurden zum Markenzeichen von Shochiku: Ihm vertraute man aufwendige Produktionen an mit den Stars des Hauses. Oft machte Shimazu aber selbst junge Talente berühmt. Als „Shochikus drei Vögel“ etwa wurden die Hauptdarsteller von The Trio’s Engagement bekannt, eine für Shimazu und das japanische Kino recht typische „ernste Komödie“ um drei Männer, die sich in die Tochter ihres Arbeitgebers verlieben.