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Der Schöne und das Biest. Jackson-Darsteller Dantanio Goodman im Duell mit Leadgitarristin Anja Arnold.
© Harald Fuhr

Show zum 60. Geburtstag: Theater am Potsdamer Platz feiert Michael Jackson - und wird vermutlich verklagt

Die Doppelgängershow der Berliner Bühne entfacht Wiedererkennungsjubel für alle Fans, nur nicht bei den Jackson-Erben. Die wollen die Nummer stoppen.

Spätestens seit den Zeiten der Wagner-Witwe Cosima ist klar: Mit Erben ist nicht zu spaßen. Weil sie die Hinterlassenschaft ihrer lieben Verblichenen so streng bewachen wie der Drache Fafner den Schatz des Nibelungen. Ob die Brecht-Familie oder die Bernsteins, will jemand die Werke der Meister neu interpretieren, muss er sich strengen Regeln unterwerfen. Oder damit rechnen, Post vom Rechtsanwalt zu bekommen.

So erging es jetzt auch dem Passauer Impresario Oliver Forster, gegen den die „Estate of Michael Jackson“ Klage eingereicht hat. Weil er in einem Musical die Geschichte des King of Pop erzählen will – ohne die Nachlassverwalter um Erlaubnis gebeten zu haben. Forster hat schon einige Tribute-Shows herausgebracht, über die Beatles, Abba oder auch Elvis Presley, Produktionen, die regelmäßig im Berliner Hotel Estrel laufen – und für die Forster lediglich mit der Gema, der Gesellschaft zum Schutz der Musik-Urheberrechte, verhandelt hat.

Show soll gestoppt werden

Martin Diesbach, der Münchner Anwalt der Jackson-Nachlassverwalter, behauptet nun, bei Forsters Projekt „Beat it!“ handele es sich um ein neues dramatisches Werk – für das die Erlaubnis der Erben nötig wäre. Die Uraufführung der Jacko-Show am Mittwochabend im Theater am Potsdamer Platz konnte Diesbach nicht verhindern, er geht aber davon aus, dass es noch 2018 zu einer mündlichen Verhandlung kommt. Und sollte er die gewinnen, will er weitere Aufführungen stoppen lassen. Bis April 2019 stehen allerdings bereits Dutzende Tourneestationen von „Beat it!“ in Deutschland, Österreich und der Schweiz fest.

Impresario Oliver Forster reagiert gelassen. Für ihn rührt der Furor der Erben daher, dass er ihnen mit seiner Show zuvorgekommen ist. Die Estate of Michael Jackson plane nämlich selber, am Broadway ein Stück über das Leben der Popikone herauszubringen, so Forster. Das soll aber erst 2020 fertig sein, während er „Beat it!“ exakt zum 60. Geburtstag des King of Pop am 29. August präsentieren konnte.

Wiedererkennungsjubel Takt für Takt

Während in Las Vegas am Mittwoch eine „Diamond Celebration“ in Anwesenheit der Jackson-Kinder Paris und Prince sowie seiner Brüder Jackie, Tito und Marlon über die Bühne des Cirque du Soleil ging, waren die Fans in Berlin unter sich. Und machten von der ersten Minute an umso mehr Stimmung. Jeder Hit löst schon beim ersten Takt Wiedererkennungsjubel aus und auch die beiden Doppelgänger werden begrüßt, als seien sie tatsächlich Wiedergeburten des 2009 verstorbenen Jacko.

Der Südafrikaner Dantanio Goodman hat die Körpersprache des Originals wirklich gründlich studiert, trägt die weißen Socken zu Slippern und Hochwasserhosen mit Würde und ackert hart in den gut zweieinhalb Stunden, die die Show dauert. Fast noch besser ist Koffi Missah, der zu Beginn den Teenager im „Jackson 5“-Medley spielt, weil er noch lockerer, sinnlicher rüberkommt.

Zehn vielseitige Tänzerinnen und Tänzer sind außerdem dabei, die angemessen heutigen Choreografien stammen von Alex Burgos und Detlef D. Soost. Dass bei einigen Nummern sogar Stadionatmosphäre aufkommt, ist aber der Band zu verdanken. Rechts und links der schlichten Spielfläche platziert, pumpt das Quintett um den Bassisten Andy Keller unablässig Energie in den Saal. Vor allem Leadgitarristin Anja Arnold drängt es nach vorn, zu wahrlich wüsten Soli.

Gute Tänze, gestelzte Dialoge

Was für ein Wahnsinnsouevre Michael Jackson hinterlassen hat, wird klar, wenn nach 23 Songs für die Zugaben noch „Man in the mirror“ und „Heal the world“ übrig sind. Da steht das Publikum längst, schwenkt die leuchtenden Handys, singt und klatscht beseelt mit.

Bleibt nur noch die juristische Frage: Ist „Beat it!“ nun ein vollwertiges Theaterstück, wie der Erben-Anwalt behauptet, oder doch nur eine Nummernrevue, dargebotenen von Lookalikes? Letzteres wäre für den Produzenten Oliver Forster vor Gericht zweifellos zweckdienlich – obwohl „Beat it!“ auf dem Papier ja eigentlich mehr will, nämlich das Phänomen Jackson erklären.

Was aber nicht gelingt, weil die gecasteten Darsteller eben in allererster Linie Tänzer sind, deren Dialoge durchweg gestelzt und aufgesagt wirken. Darum sollte das Kreativteam die szenischen Wurmfortsätze dieses Hitparadenabends gleich ganz wegschneiden. Der Gipfel der Peinlichkeit ist übrigens die Szene in einer Zeitungsredaktion mit brüllendem Chefredakteur und Dummerchen-Sekretärin. Sollte Regisseurin Andreana Clemenz Interesse daran haben, die Realität kennenzulernen, ist sie herzlich eingeladen, mal an einer Morgenkonferenz des Tagesspiegels teilzunehmen.

Weitere Aufführungen im Theater am Potsdamer Platz bis 2. 9., im April 2019 gastiert die Show dann im Admiralspalast.

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