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Männer im Mondlicht. Albert Hammond Jr., Nick Valensi, Julian Cassablancas, Nikolai Fraiture und Fabrizio Moretti.
© Sony

Comeback-Album: "The Strokes" bleiben sich treu

Fünf Jahre nach ihrem letzten Album ruft sich die New Yorker Band zurück in Erinnerung. Um das neue Album "Angles" aufzunehmen musste sich die zerstrittene Band zusammenraufen - doch es hat sich gelohnt.

Fünf Jahre sind in der Popmusik eine halbe Ewigkeit. Mindestens fünf Trends und 50 tolle neue Bands passen in diesen Zeitraum. Da geraten etwas ältere Helden schnell in Vergessenheit. Die Strokes haben das mit einem Comeback nun gerade noch mal abgewendet – fünf Jahre nach ihrem letzten und fast zehn Jahre nach ihrem epochalen ersten Werk.

Das neue Millennium hatte noch keinen eigenen Sound, als im Spätsommer 2001 das Debütalbum der New Yorker Band für Furore sorgte. Keine 40 Minuten brauchten die Strokes, um mit elf Songs dem fett und selbstzufrieden gewordenen Alternative Rock den Gnadenschuss zu verpassen. „Is This It“ klang auf Anhieb wie ein Klassiker. Was auch daran lag, dass sich die fünf Jünglinge aus besten Verhältnissen unverblümt an Klassikern der New Yorker Rockhistorie orientierten: Ein Sänger, der klang wie der junge Lou Reed, eine stoisch rumpelnde Rhythmussektion, die sich an dessen Sixties-Kultband Velvet Underground ausrichtete, und zwei filigrane Gitarristen, die das Postpunk-Geheul von Television und Richard Hell & The Voidoids reanimierten.

Das Ganze war mit sorgfältig inszeniertem Scheppersound in supereingängige Songs gegossen, die niemals die Vierminutengrenze überschritten. „Is This It“ war ein Manifest des Coolen und Glamourösen. Und es traf einen Nerv, nicht nur beim Publikum. Hunderte Bands eiferten den Posterboys nach, die als Auslöser des Garagenrock-Revivals zu den wichtigsten Impulsgebern der nuller Jahre wurden.

Die Strokes taten sich schwer mit den hohen Erwartungen. Auch der plötzliche Ruhm, der sie in die Jetset-Schickeria der Supermodels und Hollywood-Stars katapultierte, trug zur Erstarrung einer Band bei, die nach dem Debüt nichts wirklich Weltbewegendes mehr zustande brachte. Das zweite Album „Room on Fire“ klang zu sehr nach „Is This It“, das mit großen Ambitionen aufgenommene „First Impressions of Earth“ näherte sich dem Breitwandsound an, den die Strokes zu überwinden halfen. In der zweiten Jahrzehnthälfte hörte man kaum noch etwas von ihnen, außer dass sich vier von fünf Bandmitgliedern an Soloprojekten versuchten.

2010 bastelten die Strokes an neuen Songs. „Angles“ ist das Ergebnis eines Arbeitsprozesses, der an das „White Album“ der Beatles erinnert. Eine de facto kaum noch existente, teils zerstrittene Band rauft sich zu langen Studiosessions zusammen. Dabei bringen sich erstmals auch die Bandmitglieder in den Prozess des Songschreibens ein. Bisher hatte Sänger Julian Casablancas die Stücke quasi im Alleingang komponiert. Casablancas revanchiert sich, indem er seine Gesangsparts ohne Beteiligung der Band bestreitet, was die anderen mit Unmut quittierten.

Doch vermutlich war der Zoff nötig für eine Platte, die zwar nicht die Rockwelt aus den Angeln hebt, mit der die Strokes aber ein Zeichen setzen: Mit uns ist wieder zu rechnen. „Angles“ ist ihre vielseitigste Platte, womit nach der neuen Aufgabenverteilung zu rechnen war. Zwar bleiben die verzahnten Gitarrenläufe von Albert Hammond Jr. und Nick Valensi das konstituierende Element des Strokes- Sounds, doch es gibt Ausflüge auf neues Terrain. Am weitesten hinaus wagen sie sich mit „Games“, das mit analogen Synthie-Tupfern und patschender Beatbox wie eine Parodie der Achtziger-Nostalgie im Indierock wirkt. Durch Casablancas’ Nölgesang bleibt es wie alle Stücke unverwechselbar. , „Gratisfaction“ eine Verbeugung vor dem Seventies-Glamrock, das gleichmütig pluckernde „Two Kinds Of Happiness“ hätte auch auf eine Billy-Idol- LP gepasst, „You’re So Right“ erreicht mit dürren Sequenzer-Beats eine Suicide-artige Monotonie.

Auch die erwartbaren, typischen Stücke sind von runderneuerter Qualität. „Machu Picchu“ ist ein astreiner Opener mit Reggae-Affinität und quengelnden Gitarren, die Single „Under Cover Of Darkness“ ein Powerpop-Brecher, der an die Highlights von „Is This It“ erinnert und einen Moment der Selbsterkenntnis offenbart, wenn Casablancas singt: „I’ve been around this town / everybody’s been singing the same song ten years“. Den schönsten Song haben sie sich für den Schluss aufgehoben: Das von Casablancas geschriebene „Life Is Simple In the Moonlight“ ist die Verschmelzung des struppigen Ostküsten-Sounds mit dem dekadenten Westcoast-Pop der mittleren siebziger Jahre. So butterweiches Gitarrenvirtuosentum hat man seit den Tagen von Steely Dan und den Doobie Brothers nicht mehr gehört.

Die Frage, ob das noch irgendeine Relevanz besitzt, ist berechtigt. Aber sie müsste dann bei allen Bands gestellt werden, die sich nicht permanent neu erfinden. Die Strokes sind nicht den Weg von Jack White gegangen, der alle möglichen Sounds und Stile ausprobiert hat und zuletzt mit seiner Omnipräsenz etwas zu nerven begann. Stattdessen haben sich die Strokes rar gemacht, was im Ereigniswirbel der Popmusik natürlich die Gefahr birgt, in Vergessenheit zu geraten. Dass sie bei ihrem Comeback wenig Anstalten machen, sich an aktuelle Entwicklungen ranzuschmeißen, dass sie nicht zu Elektro-Poppern, Neo-Bluesern oder Witchrockern mutiert sind, sondern sich weiter – wenn auch mit Variationen – an ihrem Garagenrock klassischen Zuschnitts abarbeiten, sollte man ihnen hoch anrechnen. Man braucht eine Platte wie „Angles“ nicht wirklich, aber sie könnte einem ans Herz wachsen.

„Angles“ ist bei RCA/Sony erschienen.

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