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Ein Bücherstapel - 20 Titel stehen auch auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis 2017
© Frank Rumenhorst/dpa

Deutscher Buchpreis: Suhrkamp, nicht vergessen

Nach der Verkündung der Shortlist des Deutschen Buchpreises: Darf Berlin sich jetzt wieder Literaturhauptstadt nennen? Sicher ist: Der Suhrkamp Verlag ist wieder vorn.

Natürlich ist es Zufall, dass einer der sechs für die Shortlist des Deutschen Buchpreises nominierten Romane „Die Hauptstadt“ heißt. Gemeint ist in Robert Menasses Roman zwar Brüssel, als inoffizielle Hauptstadt Europas. Doch mit dieser Shortlist darf sich Berlin mal wieder damit schmücken, auch die literarische Hauptstadt der Republik zu sein. Mit Sasha Marianna Salzmann, Thomas Lehr, Gerhard Falkner und Marion Poschmann leben vier der sechs nominierten Autorinnen und Autoren in Berlin. Die zwei anderen Anwärter für die renommierte Auszeichnung, die kurz vor der Frankfurter Buchmesse verliehen wird, stammen sowieso aus Österreich: Franzobel und Robert Menasse leben in Wien.

Nach mageren Jahren beim Deutschen Buchpreis, als zuletzt ungehörigerweise mit Bodo Kirchhoff (Frankfurt!), Frank Witzel (Offenbach!!) und Lutz Seiler (Wilhelmshorst!!!, Stockholm, okay) drei Nicht-Berliner gewannen, stehen die Chancen also nicht schlecht, den Titel mal wieder hierher zu holen. Zudem kommen vier der nominierten Romane von zwei Berliner Verlagen. Der Berlin Verlag ist mit dem Falkner-Roman „Romeo oder Julia“ dabei, der Suhrkamp Verlag, der bekanntlich seit 2010 ein Berliner ist, mit den Büchern von Salzmann, Poschmann und Menasse. Überhaupt, Suhrkamp. Lässt gerade an der Torstraße seinen neuen Verlagssitz bauen, hat vor zwei Wochen das LCB-Sommerfest ausgerichtet. Aber war da nicht was? Gab es im Gefolge des Umzugs aus Frankfurt nicht schwerste Turbulenzen, die den Verlag in seiner Existenz bedrohten? Von wegen Hans Barlach, von wegen Gesellschafterstreit? Schon vergessen?

Nur Franzobel könnte allen einen Strich durch die Rechnung machen

Wie es scheint: ja. Das Vergessen ist ja nicht nur ein Monster, sondern auch eine Wohltat. Und der Suhrkamp Verlag hat seine Veröffentlichungen sowieso stets ungerührt fortgeführt, trotz zahlreicher Gerichtstermine, finanzieller Schwierigkeiten und der energischen Kritik am Umzug (Tradition! Geist! Siegfried Unseld!).

Die Saison-Vorschau ist dick wie eh und je, selbst das Random-House-Programm wirkt überschaubar dagegen. Mit Elena Ferrante, deren deutsche Auflage inzwischen bei einer Million Exemplaren liegt, dürfte Suhrkamp sogar richtig Geld verdienen. Und nun sind noch fast alle deutschsprachigen Herbsttitel auf der Shortlist gelandet! Auch Berlin freut sich da. Wäre nur blöd, wenn am Ende der Österreicher Franzobel den Buchpreis gewinnt, mit seinem bei Zsolnay in Wien erschienenen „Floß der Medusa“-Roman. Was würde dann bloß aus der Literaturhauptstadt werden?

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