zum Hauptinhalt
Regisseur Milo Rau bei der Inszenierung der "Moskauer Prozesse".
© dpa

Pussy Riot: Störung des Prozesstheaterstücks in Moskau

Mit einer Razzia haben russische Behörden die Gerichtsshow „Die Moskauer Prozesse“ des Schweizer Regisseurs Milo Rau unterbrochen. Mehrere Uniformierte kamen am Sonntag unerwartet in das Sacharow-Zentrum in Moskau. Sie begannen, Rau und andere Ausländer zu überprüfen.

So hyperrealistisch ist Dokumentartheater selten: In Milo Raus dreitägiger Gerichtsshow „Die Moskauer Prozesse“ (Tagesspiegel v. 3.3.), die reale Strafprozesse gegen russische Künstler als Theaterinszenierung neu aufrollt, brach am letzten Verhandlungstag unvermittelt die politische Realität ein. In dem Stück treten tatsächliche Betroffene, Juristen, Künstler, Kirchenvertreter und Verfechter der Staatsdoktrin im Sacharow-Zentrum gegeneinander an. Eine der prominentesten Mitwirkenden, das zu einer Bewährungsstrafe verurteilte Pussy- Riot-Mitglied Jekaterina Samuzewitsch hatte auf der Gerichtsbühne gerade von den Einschränkungen der Kunst und den Schwierigkeiten freier Meinungsäußerung in ihrem Land gesprochen, als plötzlich Beamte in der Uniform der russischen Einwanderungsbehörde in den Saal kamen und die Veranstaltung unterbrachen. Das Wort Razzia machte die Runde. Der Schweizer Regisseur Milo Rau musste sich ausweisen, seine Visa-Papiere wurden kontrolliert. An diesem Punkt gerieten die Kategorien „Theater“ und „Realität“ endgültig durcheinander – und zwar erhellender als es die cleversten Theatermacher es je vorab hätten planen können. Die Fachkenntnis der Juristin Anna Stavitskaja, eine tätsächliche Verteidigerin dissidenter Künstler, die auch in Raus Performance die Rolle der Verteidigerin spielt, kam dem Theaterprojekt zugute: Ihrer professionellen Spitzfindigkeit und ihrem Verhandlungsgeschick sei es zu verdanken, so hieß es, dass die Beamten wieder abzogen.

So wurde die Veranstaltung nach einer etwa zweistündigen Unterbrechung fortgesetzt. Wenige Minuten später stürmten einige Männer in Kosakenuniformen in den Saal. Die Kosaken treten für eine Ordnung nach zaristischer und orthodoxer Tradition ein. Die Gruppe setzte sich in die Zuschauerbänke und folgte dem Geschehen. Nach einigen Minuten verließ sie den Saal wieder. Vor dem Gebäude hatte sich unterdessen ein Polizei-Aufgebot mit mehreren Einsatzwägen eingefunden, das ebenfalls wieder abzog. Maxim Shevchenko, Theaterexperte der Anklage, der im wahren Leben ein prominenter Fernsehjournalist auf staatskonformer Linie ist, habe, deeskalierend und beruhigen gewirkt. Anschließend lief die Veranstaltung planmäßig weiter. (mit dpa)

Zur Startseite