Klassiker: Stoppt Asterix!
Einst war er ihre Inspirationsquelle. Jetzt betrachten so manche Comiczeichner den 50. Geburtstag des Galliers mit gemischten Gefühlen
Als Kind war Ralf König ständig in Gallien unterwegs. Mit kleinen Plastikfiguren spielte er nach, was er in den Asterix-Heften gelesen hatte, aus Legosteinen baute er Pyramiden samt Grabkammern, in denen die ihm aus den Comics vertraute Kleopatra in Nähgarn eingewickelt als ägyptische Mumie lag.
„Ich hab rumgesponnen und mir dramatische Dialoge ausgedacht“, erinnert sich König, heute 49 Jahre alt und mit Bestsellern wie „Der bewegte Mann“ oder „Kondom des Grauens“ der wohl bekannteste und erfolgreichste Comiczeichner Deutschlands. „Meine Mutter saß daneben und hörte ganz fasziniert zu – Asterix war einer meiner Kreativitätsförderer.“
Am 29. Oktober ist es genau 50 Jahre her, dass die von Autor René Goscinny bewusst als Antihelden angelegten und von Albert Uderzo meisterhaft gezeichneten Figuren Asterix und Obelix zum ersten Mal in einem französischen Comic-Heft auftauchten, in der Erstausgabe der Zeitschrift „Pilote“ – der Beginn eines weltweiten Siegeszugs.
Bis heute wurden nach Verlagsangaben weltweit mehr als 310 Millionen Asterix-Bände verkauft, ein Drittel davon alleine in Deutschland. Die Asterix-Abenteuer wurden in mehr als 100 Sprachen und Dialekte übersetzt.
Das wird diesen Monat unter anderem mit einem neuen Asterix-Band unter der Regie des Zeichners Uderzo gefeiert, der seit dem Tod des Autors Goscinny vor 32 Jahren die traditionelle Serie alleine weiterführt – zum wachsenden Ärger vieler Fans, die Uderzo als Autor für völlig unfähig halten. „Entweder sollte man nach einem wirklich guten neuen Team suchen – oder die Serie zur verdienten ewigen Ruhe betten“, findet Gerhard Seyfried, 61. Den frühen Asterix-Bänden verdankt er so manche frühe Inspiration als Zeichner und Autor: „Sie haben meinen Spaß an Comics gefördert und die Lust, selbst welche zu entwickeln“, sagt Seyfried, der an dem Klassiker vor allem den Sprachwitz und die prägnante Erzählweise liebt.
Der anhaltende Einfluss der beiden Gallier und der mit ihnen geschaffenen Welt umspannt Generationen von Comiczeichnern – und das nicht nur in künstlerischer Hinsicht. „Asterix, klein von Wuchs und asexuell, war meine erste und wichtigste Identifikationsfigur“, sagt der Hamburger Comiczeichner Sascha Hommer, Jahrgang 1979, der mit seinen düster-verspielten Kurzgeschichten und Graphic Novels wie „Insekt“ oder dem dieser Tage erscheinenden Buch „Vier Augen“ zu den bedeutendsten jüngeren Zeichnern des Landes zählt. „Nicht nur spiegelte Asterix die Defizite des kleinen Jungen, auch war er ein Versprechen auf Macht durch Intelligenz und Zaubertrank“, sagt Hommer. Bis heute ist Asterix für ihn ein „mythischer Held“.
Für andere Comicprofis ist der schlagkräftige Gallier dagegen nur noch ein dunkler Schatten seiner frühen Jahre. „Asterix starb mit Goscinny“, sagt der Pariser Comicautor Émile Bravo, der in den vergangenen Jahren mit Büchern wie „Meine Mutter“ und einer innovativen Spirou-und-Fantasio-Erzählung auch in Deutschland viele Anhänger fand.
„Uderzo ist ein guter Zeichner, aber kein Geschichtenerzähler – er hat einfach nichts zu sagen“, klagt der 1964 geborene Bravo im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Egal, wie talentiert Uderzo als Zeichner ist – er hat kein Recht, das Werk eines Autors so zu massakrieren.“ Deswegen sieht Bravo auch dem neuen Album unter Uderzos Regie, das am 22. Oktober erscheinen soll, mit Schrecken entgegen. Gefragt nach seinem Wunsch zum 50. Jubiläum, sagt der Franzose nur: „Bitte stoppt Asterix!“
„Die Serie hätte eigentlich schon vor Jahren aufhören sollen“, pflichtet der Berliner Zeichner Mawil bei, Tagesspiegel-Lesern durch seine vierwöchentlichen Strips in der Sonntagsbeilage bekannt. „Ohne Goscinny wirkt das Ganze wie eine peinliche Band-Reunion.“ Die früheren Bände hingegen waren auch für den 1976 geborenen Mawil einst eine Inspirationsquelle: „In Sachen Zeichnung und Geschichte clever angelegt, super sauberer und flotter klassischer Funny-Stil“, lobt Mawil – wenngleich er die eigentliche Hauptfigur Asterix eher langweilig fand und mehr für Obelix und dessen Hund Idefix schwärmte.
Für Gerhard Seyfried waren Asterix und Obelix die Alternative zu den Superhelden amerikanischer Prägung, die ihm in seiner Jugend zu abgehoben waren. „Sehr europäisch, sehr menschlich, lustig und liebevoll – und keine Scheu vor Drogen.“
Den Berliner Zeichner und Autor Reinhard Kleist, der sich mit einer Comicbiografie Johnny Cashs auch international einen Namen gemacht hat, verfolgen die Bilder und Dialoge aus den Asterix-Heften seiner Kindheit in den 70er Jahren bis heute. Nach jahrelanger Asterix-Abstinenz nahm er vor einiger Zeit mal wieder ein paar Hefte in die Hand. „Mit Entsetzen musste ich feststellen, dass ich immer noch alle Zeichnungen bis ins Detail kannte und alle Dialoge fast mitsprechen konnte“, sagt Kleist. „Da versucht man verzweifelt, Französisch oder Spanisch zu lernen und vergisst nach kurzer Zeit sämtliche Vokabeln.“ Aber die Asterix-Geschichten blieben hängen – „ein ganzes Leben lang“.
Im Ehapa-Verlag erscheint am 22. Oktober anlässlich des 50. Jubiläums das neue Asterix-Album Band 34. Mehr unter www.asterix.de, www.ehapa.de oder www.ehapa-comic-collection.de.
In unserer Reihe "Mein Asterix" folgen in den kommenden Tagen Beiträge von Reinhard Kleist, Mawil, Elke R. Steiner, Émile Bravo sowie Gerhard Seyfried & Ziska.
Bereits erschienen: Ralf König erklärt, wieso er keine neuen Asterix-Geschichten mehr lesen will und Sascha Hommer erzählt, wieso der kleine Gallier seine erste Identifikationsfigur wurde.
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