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Fazil Say
© Borggreve/Promo

Fazil Say in Berlin: Starker Zugriff

Der türkische Pianist und Komponist Fazil Say ist ein neugieriger, ungeduldiger, vielseitiger Künstler. Bei seinem Berliner Klavierabend im Kammermusiksaal begeistert er vor allem durch seine Lust am Experiment.

Ein Abend von seltener Vitalität: Fazil Say spielt im Kammermusiksaal Klavierwerke von Mozart, Beethoven, Janácek, Chopin und Hindemith. Ein stilistisch inhomogenes Programm, das einer allein nicht meistern kann – es sei denn, er legt es darauf an, dass es manchmal zwickt und klemmt, dass eine Anschlagsart eben nicht passt oder ein Idiom nicht stimmig wirkt. Genau das passiert an diesem Abend auch, doch scheint es kein Zeichen für Wurschtigkeit, sondern viel eher für eine große Lust am Experiment. Say wird zum Beispiel wissen, dass sein kantiger, rauchiger Ton nicht die allererste Wahl sein dürfte für Mozarts fein trillernde Sonate KV 330: Warum setzt er manche Akzente quer, warum schützt er nicht schon den ersten Satz vor seinem viel zu starken Zugriff? Weil es geht, könnte er antworten, oder: Weil der Satz nicht daran kaputtgeht.

Tatsächlich wird es gerade diese Art sein, brut, unverstellt, ohne falsche Raffinesse, die den Anfang der „Mondscheinsonate“ spektakulär schön werden lässt: Das Miteinander aus liegenden Oktaven, gebrochenen Akkorden und Harmoniewechseln setzt Say in solcher Schlichtheit zusammen, zugleich legt er einen so kühlen Grauschleier darüber, dass die Zeit sich kostbar dehnt. Janáceks „Sonate von der Straße“, eine Elegie in immer neuen Rubati, auch die Auszüge aus Hindemiths „In einer Nacht“ passen in diesem Sinne besonders gut zu Say, viel besser sogar als die Chopin-Nocturnes. Und dennoch werden auch diese interessant: in ihrer Augenblicksvergessenheit, im eigenwilligen Humpeln mancher Phrasen, in der Aufkündigung jeder Leggierissimo-Einschmeichelei.

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