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Fersengeld. 1983 fotografierte Helmut Newton diesen schönen Damenschuh mit Fuß darin.
© Helmut Newton Estate

Berliner Bilderreigen: Starke Frauen, schöne Männer

Nichts Neues: Die Helmut-Newton-Stiftung zeigt eine weitere Schau ihres Namensgebers. Es wird Zeit, dass das Haus sich neuen Positionen öffnet.

Der Fotograf und die Frauen: Mit dreien ist Helmut Newton 1981 im Pariser „Vogue“-Studio zu sehen. Ein Spiegel rahmt ihn und zwei nackte Models. Auf einem Regiestuhl sitzend sieht June Newton ihrem Mann beim Arbeiten zu. Fern dem Scheinwerferlicht übt sie Kontrolle aus. Es sei ihr das liebste unter den Fotos, die Newton von ihr machte, erzählt die Witwe. 33 Jahre später scheint June Newton kaum verändert, wie immer mit ovaler Brille und Pagenfrisur. Die Stimmung ist feierlich. Helmut Newton wäre an dem Tag 93 Jahre alt geworden.

Der Vertrag zur Nutzung des ehemaligen Landwehrkasinos durch die Helmut-Newton-Stiftung war gerade unterschrieben, als der Fotograf im Januar 2004 mit seinem Cadillac in Los Angeles tödlich verunglückte. June – als Alice Springs selbst renommierte Fotografin, die seit dem schweren Verlust die Geschicke der Sammlung lenkt – erinnert sich. Vor der Heirat habe er klargestellt: „Meine erste Liebe ist die Arbeit. Dann kommst du.“ Das habe sie akzeptiert, sie seien einander „Buddys“ gewesen.

Ein Vierteljahrhundert verlebten die Australierin und der 1938 aus Berlin geflohene jüdische Knopffabrikantensohn in Paris. Der Ausstellungstitel „Paris–Berlin“ ist einfach erklärt: 2012 wurde die erste Retrospektive seit Newtons Tod im Grand Palais gezeigt. Nun sind die Bilder für eine den Räumen entsprechend konzentriertere Schau nach Berlin zurückgekehrt. Mit 400 000 Besuchern war die Pariser Schau ein überwältigender Erfolg, doch Kritiker bemängelten die assoziative, etwas chaotisch anmutende Präsentation.

In Berlin gliedert Stiftungs-Hauptkurator Matthias Harder die über 200 Werke seit den Sechzigerjahren relativ streng in Mode-, Akt- und Porträtaufnahmen, „obwohl die Genres natürlich ineinanderfließen“, wie der Kunsthistoriker sagt. Einmal mehr lässt sich Newtons Einfallsreichtum in der Inszenierung spärlich bekleideter Frauenfiguren bewundern – solange man diese Bilder nicht als sexistisch ablehnt. Im Vergleich allerdings zur Schau des Newton-Konkurrenten Guy Bourdin (1928–1991) in den Hamburger Deichtorhallen erscheinen Newtons Amazonen mitunter wie Feministinnen.

Newton inszeniert künstliche Traumwelten voller dominanter Frauen. Männer dürfen in der Regel nur als Randfiguren ins Bild, etwa in einer Serie, auf der bierbäuchige oder muskelbepackte Statisten edel gekleidete Vamps bewundern (um 1980). In der Schau ist auch die kühn fotografierte 1964er-Modestrecke aus dem „Queen Magazine“ in Schwarz-Weiß zu sehen, die zu Newtons Rauswurf bei „Vogue“ führte. 1969 wurde er wieder eingestellt.

Dass der Fotograf sich nicht vereinnahmen ließ, aber chamäleonhaft unterschiedlichen Auftragsprofilen anpasste, ist überall in der Ausstellung zu bemerken. Faszinierend auch seine Vexierspiele mit Spiegeln und Medien. Newton fotografierte seine Modelle von Videoschirmen und nutzte die Röntgentechnik, um Schmuck an derart skelettierten Fußgelenken abzulichten – Jahre bevor die Künstlerin Isa Genzken auf eine ähnliche Idee kam. Seine Prominentenbilder lassen die Stars nicht unbedingt sympathisch erscheinen. Neben Bildnissen Cathérine Deneuves und Isabelle Hupperts mit viel Haut steht ein finsteres Porträt des Rechtspopulisten Jean-Marie Le Pen, der mit seinen Dobermännern posiert, Karim Aga Khan IV. hält einen Globus umklammert und Leni Riefenstahl bepudert auf einem Foto von 2000 ihre Runzeln. „Sympathisch war sie ihm nicht, aber auf die Künstlerin hielt Helmut große Stücke“, sagt June Newton.

Wie viel Riefenstahl steckt in Newton? Gemeinsam ist beiden ein Desinteresse am Innenleben der Fotografierten, ein exzessiver Schönheitskult. Auch bei Newton dreht sich alles um die Hülle – eine Haltung, die sich in der Modefotografie erst seit kurzem ändert. Es wäre an der Zeit, in der Newton-Stiftung einmal die spröden Fashion-Fotos Jürgen Tellers auszustellen, das Haus überhaupt für realitätsnähere Positionen zu öffnen. Kurator Harder nennt prompt die Schau „Men, War & Peace“, in der Bilder von James Nachtwey und David LaChapelle neben Werken des Hausheiligen zu sehen waren. Allerdings sind es stets Buddys der Newtons, die einziehen dürfen. „June Newton trifft hier die Entscheidungen“, bemerkt Harder knapp – erwähnt aber auch, dass es Diskussionen um die Ausrichtung des Hauses gibt.

In „June’s Room“ findet sich in Greg Gorman kaum der erhoffte Gegenpol. Seine Männerakte sind das Pendant zu Newtons Frauenpower. Männerhintern, Sixpacks, Pas de deux nackter Schönlinge, kitschig inszenierte Wasser- und Muskelspiele zeigt der 1949 geborene Kalifornier und Newton-Freund. Wo Newton allerdings seine Models mit urbanem Leben, Straßendreck, Zufälligkeiten konfrontierte, herrscht bei Gorman keimfreie Natur, die Windstille von Erotikkalenderblättern. „Gregs Arbeiten sind wunderschön, großartig. Lassen Sie sich es sich von mir gesagt sein“, schwärmt June Newton, deren Begeisterung ansteckend wirkt, auch wenn sie nicht immer recht hat.

Newton-Stiftung, Jebensstr. 2, bis 18. 5.; Di bis So 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr.

Jens Hinrichsen

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