Das neue Archäologische Zentrum: Sprung aufs Festland
Das neu eröffnete Archäologische Zentrum an der Geschwister-Scholl-Straße präsentiert sich als Forum für moderne Schatzsucher. Dort werden die einst auf der Museumsinsel verstreuten archäologischen Sammlungen gebündelt. Das schafft Platz für neue Projekte.
Sie steht im Lichthof, die Sonne strahlt sie an, ein glänzendes Beispiel. Die im Zweiten Weltkrieg zerstörte, aus 1200 Stücken wieder zusammengepuzzelte Frauenfigur aus Basalt, ein 3000 Jahre altes Kunstwerk aus Tell Halaf im Nordosten Syriens, ist Zeugnis einer Erfolgsgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin, ihrer restauratorischen Pionierarbeit. Die "thronende Göttin", Lieblingsfigur ihres Entdeckers Max von Oppenheim, ist eine Ikone, eine Galionsfigur, Ansporn auch für all jene Wissenschaftler, die das neue Archäologische Zentrum der Staatlichen Museen betreten.
Mit einem Festakt wurde der Bau in unmittelbarer Nachbarschaft zur Museumsinsel am Mittwoch eröffnet, in Anwesenheit von Kulturstaatsminister Bernd Neumann und Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse. In dem 6700 Quadratmeter umfassenden Gebäude, dessen Kosten von rund 47 Millionen Euro der Bund trägt, sind die Kompetenzen der fünf archäologischen Sammlungen erstmals gebündelt. Büros, Depots, Werkstätten und Bibliotheken der Antikensammlung, des Ägyptischen und des Vorderasiatischen Museums, des Museums für Islamische Kunst und für Vor- und Frühgeschichte wurden zusammengelegt. Früher lagen sie verstreut auf der Museumsinsel.
Es ist zugleich der erste Sprung über das Wasser, über den Kupfergraben hinweg: womöglich ein Wechsel auf die Zukunft. Auf dem Gelände neben dem Archäologischen Zentrum könnte eines Tages der Neubau für die Alten Meister entstehen – wenn der Masterplan denn so realisiert werden sollte, wie es in der umstrittenen Museumsrochade derzeit vorgesehen ist. Hinzu kommen das Zentralarchiv und die Bestände zur Archäologie aus der Kunstbibliothek. Ein Teil konnte im benachbarten Altbau unterkommen, der Rest verteilt sich auf den Neubau. Die auf der Museumsinsel freigewordenen Flächen können nun für Ausstellungen genutzt werden.
Das Zusammenrücken unter einem Dach an der Geschwister-Scholl-Straße war lange geplant. Der Masterplan von 1999 zur Restaurierung und Umstrukturierung der Museumsinsel sah vor, dass technische und administrative Bereiche ausgelagert werden und auf das Gelände der ehemaligen Friedrich-Engels-Kaserne am Kupfergraben ziehen, auf die sogenannten Museumshöfe. Noch ist es eine unscheinbare Ecke mit der Atmosphäre eines Hinterhofs, gelegen zwischen Museumsinsel, S-Bahn-Trasse und Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität. Zahlreiche Baucontainer sorgen dafür, dass man die Größe des Areals leicht unterschätzt. 21 000 Quadratmeter zählen die Museumshöfe, eine riesige Freifläche mitten im Zentrum Berlins. Zum Vergleich: Die Museumsinsel umfasst 60 000 Quadratmeter. Nun steht also der erste Teil der Bebauung.
Ein "Hochleistungszentrum" für Archäologen
Was die Museumsrochade betrifft, in deren Zug auch eine neue Gemäldegalerie hier Platz finden könnte, formulieren die Verantwortlichen der Museen und des Bundesamts für Bauwesen wegen der heftigen Debatte inzwischen vorsichtiger. So heißt es in einem Text zur Eröffnung des Archäologischen Zentrums: „Zuvor gilt es, die notwendigen Verbindlichkeiten der Finanzierung zu schaffen.“ In die auf 1,4 Milliarden Euro geschätzten Kosten zur Umsetzung des Masterplans bis 2027 ist der Posten nicht eingerechnet. Neue Gelder müsste der Bund erst bewilligen.
Kulturstaatsminister Neumann zeigte sich optimistisch: „Ich halte es nicht für ausgeschlossen, das wir uns hier wieder treffen.“ Für das kommende Frühjahr ist eine Machbarkeitsstudie angekündigt, in denen auch Alternativen geprüft werden, etwa der Verbleib der Alten Meister in der Gemäldegalerie und ein Neubau für die Kunst der Moderne am Kulturforum.
Sollte die Bebauung der Museumshöfe realisiert werden, erschlösse sich eine neue städtebauliche Achse, von der Monbijoubrücke über das Grimm-Zentrum bis zur Staatsbibliothek Unter den Linden, ein Band der Wissenschaft und Forschung. Noch steht das Archäologische Zentrum aber wie ein Solitär da. Von außen wirkt der Bau der Stuttgarter Architekten Joel Harris und Volker Kurrle verschlossen, eine Trutzburg. Immerhin stellen die in die Fassade eingeschnittenen Fensterbände eine Beziehung zur gerasterten Architektur des Grimm-Zentrums her, die Farbe der braunen Klinkersteine passt sich dem Altbau an. Auf Augenhöhe der Passanten zieht sich eine dezente Zierleiste aus versetzten Klinkersteinen, die bei aller Monumentalität des Gebäudes daran erinnert, dass man es im Inneren mit eher kleinteiligen und fragilen Forschungsgegenständen zu tun hat. In den Depots, alle mit Schleusen für das richtige Raumklima ausgestattet, lagern brüchige Papyri und Särge aus organischen Materialien. An den schweren Türen, die zu langen Gängen führen, kleben Zettel, auf denen gemahnt wird, sie vorsichtig zu schließen. Erschütterung tut den hier aufbewahrten Schätzen nicht gut. Offensichtlich muss auf die besonderen Bedürfnisse dieses Arbeitsplatzes noch einmal eingegangen und nachgebessert werden.
Ein Ort der Wissenschaft – und der Berliner Kunstgeschichte. Es sind die Archäologen, denen die Museumsinsel einen Großteil ihrer Schätze verdankt, vom Pergamonaltar bis zur Nofretete. Ihre Grabungen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, die Funde und Forschungen im vorderen Orient und im östlichen Mittelmeer bilden die Grundlage des Weltkulturerbes Museumsinsel, das bis heute Besucher aus aller Welt nach Berlin lockt. Kein Zufall, dass der oberste Dienstherr der Häuser, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger, auch Archäologe ist.
„Von außen denkt vielleicht manch einer an eine Turnhalle“, sagt Parzinger bei der Eröffnung. Man solle es jedoch eher als „sportliches Hochleistungszentrum“ betrachten. Das Haus wird nicht nur dem eigenen Personal zur Verfügung stehen, auch Studenten und Forscher aus aller Welt sind willkommen. Im Lesesaal mit seinen großen Tischen kann man nicht nur in den Bibliotheksbeständen recherchieren, sondern sich gleich das entsprechende Objekt bestellen. Es sind nüchterne Räume, von beinahe aseptischer, klinischer Funktionalität, weiße Treppen, weiße Böden, weiße Wände. Das reinigt den Blick, bevor man ihn auf ein Forschungsobjekt richtet und sein Geheimnis zu ergründen versucht.
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