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Christoph Hagel inszeniert Bachs Weihnachtsoratorium im Berliner Dom.
© dpa

Weihnachtsoratorium im Berliner Dom: Springteufel beim Schul-Hirtenspiel

Bachs prachtvolles Weihnachtsoratorium ist wieder im Berliner Dom zu hören. Christoph Hagel inszeniert es mit zappelnden Weihnachtsmännern und wippenden Nonnen - leider.

Weihnachtsmänner haben mit Weihnachten im biblischen Sinne in etwa so viel zu tun wie kleine grüne Männchen mit der realen Oberfläche auf dem Mars. Ihre Heimat ist das Shopping Center, in Kirchen haben sie eigentlich nichts verloren – auch nicht im Berliner Dom, der, zugegeben, als Kirche selbst problematisch ist. Geschmäht als architektonisches Scheusal, aber soll man einen, der sowieso am Boden liegt, auch noch treten?

Christoph Hagel kennt keine Hemmungen und holt sich für seine Vertanzung von Bachs Weihnachtsoratorium eine ganze Riege von Weihnachtsmännern auf die Bühne. Um Konsum und Kommerz zu feiern oder zu kritisieren, bleibt erst mal offen. Die Damen und Herren vom Deutschen Fernsehballett tanzen ganz unbedarft zu „Jauchzet, frohlocket“ in roten Mänteln mit weißem Fellbesatz. Später kommen Nonnen mit lustig wippenden Hauben hinzu. Reizend – und völlig ausgelutscht. Seit Fellini ist das durch.

Christoph Hagel setzt auf Tänzer

Nach Haydns „Schöpfung“ und Bachs „Johannespassion“ jetzt also das Weihnachtsoratorium (bis 3.1.). Christoph Hagel ist ein Experimentierer, hat er einen Ort gefunden, der ihm gefällt, bleibt er eine Weile. Früher war’s das Bode-Museum, seit drei Jahren der Berliner Dom. Und weil „Flying Bach“ (2010) zu seinem erfolgreichsten Projekt wurde, setzt er jetzt vor allem auf Tänzer, auch aus der Staatlichen Ballettschule Berlin. Von vier Choreografen wurden sie im historischen Tanz, in Standard-, Revue- und zeitgenössischem Tanz geschult.

Gewohnt hurtig dirigiert Hagel die Berliner Symphoniker und den Ernst-Senff-Chor durch die auf 90 Minuten eingedampften sechs Kantaten. Christiane Roncaglio (Sopran) und Johannes Gaubitz als Tenor-Evangelist schlagen sich wacker, während Bass Till Bleckwedel in undefinierbare Bereiche abschmiert und Mezzo Marianne Schechtel ihre erste Arie rustikal herunterorgelt. In der zweiten „Schlafe mein Liebster, genieße der Ruh“ ist sie besser.

Das Weihnachtsoratorium als Schul-Hirtenspiel

Bei der „Schöpfung“ nutzte Hagel noch die ganze Weite des Doms als Bühne, jetzt beschränkt er sich auf den Altarbereich. In den besten Momenten wird eine befreiende Lust am reinen Spiel spürbar, dann passen auch die Tanzschritte erstaunlich gut zu Bachs Taktvorgaben. Oft aber regiert Hilflosigkeit. Zu bemüht der Versuch, etwas zu bebildern – und das rein illustrativ –, was nicht der Bebilderung bedarf. Schnell ist man da beim Schul-Hirtenspiel in der Oberstufe.

Die Wirkung der prachtvollen Musik wird eher geschmälert dadurch, dass immer irgendwer im Vordergrund zappelt, dass sich ständig ein anderes Schächtelchen öffnet und Springteufel herausschnellen, so dass man sich bald fühlt wie in einem Animationsfilm von Disney. Und dass der Schlusschoral „Nun seid ihr wohl gerochen“ schon als Hintergrundmusik für den Applaus missbraucht wird, ist mehr als schade.

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