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Theatertreffen: Sprachmacht

Eine Sternstunde der Sprachmacht: Die Verleihung des Alfred-Kerr-Preises beim Berliner Theatertreffen

Der Geehrte ist sprachlos, beinahe jedenfalls. Eigentlich haben die Ärzte Fabian Hinrichs Redeverbot auferlegt, zur Schonung seiner angegriffenen Stimmbänder – eine Theatertreffen-Vorstellung des Stücks „Kill your Darlings“ mit ihm in der Hauptrolle musste abgesagt werden. Aber ein paar Dankessätze in sonorer Mittellage will der frisch ausgerufene Träger des Alfred-Kerr-Darstellerpreises doch loswerden. Weil er sich freut, dass die Auszeichnung offensichtlich das Ergebnis einer geteilten Erfahrung ist. Sprich: dass die Arbeit, in der Regisseur René Pollesch und er eigensinnig über die Fänge der sozialen und ökonomischen Netze räsonieren, für Jurorin Nina Hoss und andere anschlussfähig ist. Und nicht so unlesbar bleibt wie die Zettel, die der 36-jährige Schauspieler momentan seinen Umzugshelfern schreibt, in Großbuchstaben, aber vergebens. „Kerr hätte das gefreut“ – den Satz hört man des Öfteren im Laufe dieser Zeremonie, aber nie klingt er hohl. Im Gegenteil, er trifft, der Namensstifter ist aufs Berührendste gegenwärtig. Die 89-jährige Tochter Judith Kerr, aus Krankheitsgründen nicht angereist, lässt über ihre Schwägerin Lady Diana Kerr einen Brief verlesen, in dem der Vater als liebevoller Perfektionist aufersteht. Günther Rühle, Präsident der Alfred-Kerr-Stiftung, gibt Einblicke in die noch nicht abgeschlossene Editionsgeschichte des Gesamtwerks. Und Ulrich Matthes, ganz Homme de lettres, trägt eine Sammlung von Kerr-Gedichten vor, die scharfzüngig wie zornig mit der Barbarei der Nazis ins Gericht gehen. So wird diese Verleihung, in jeder Hinsicht, eine Sternstunde der Sprachmacht. Die zweite Auszeichnung des Theatertreffens, der 3sat-Preis, geht an Nicolas Stemann für „Faust I + II“. PW

Patrick Wildermann

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