Baseball-Film: Spiel, Platz, Krieg
Ein Sportfilm. Und viel mehr als ein Sportfilm. Bennett Millers „Moneyball“ erzählt vom unaufhaltsamen Aufstieg der allerseits belächelten Baseball-Mannschaft Oakland A's. Diese ausgemusterten Typen sollen siegen können? Allerdings. Sofern man sie clever einsetzt - abseits der üblichen Wege
„Wie wenig man doch über das Spiel weiß, das man sein Leben lang spielt“: Schon dieser Satz im Vorspann setzt den großen Rahmen. Ja, es geht um Sport in diesem Film, es geht um Regeln wie beim Sport, aber um Regeln auf mehreren Ebenen, um wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge, um Anarchie und Autorität, Versuch und Irrtum, System und Chaos – anders gesagt, ums große Ganze. Das Baseballteam in „Moneyball“ ist dafür nur ein Beispiel.
Zunächst befolgt der Film die genretypische Grundregel: Underdog-Team kommt wider alle Erwartungen ganz groß raus. Tatsächlich wirkt hier alles vom Start weg für einen Sportfilm unerhört neu, nach einem perfekt gebauten Drehbuch und mit famosen Schauspielern elegant inszeniert. Dabei ist „Moneyball“ erst der zweite Spielfilm des 45-jährigen, nach seiner Dokumentation „The Cruise“ (1998) vor allem als Werbefilmer erfolgreichen Regisseurs Bennett Miller. Aber was, wenn bereits „The Cruise“ damals ein Kultfilm des Berlinale-Forums war – und sein Spielfilmdebüt „Capote“ 2006 gleich für fünf Oscars nominiert, wobei Hauptdarsteller Philip Seymour Hoffman ihn prompt gewann?
Kein Wunder, dass Miller da der geeignete Mann schien, um wieder eine biografische Geschichte zu erzählen. Der Baseballspieler Billy Beane beginnt nach der High School zunächst eine Profi-Karriere, statt ein Stipendium an der Universität von Stanford anzunehmen. Als Spieler enttäuscht er zwar, wird aber der erfolgreiche Manager der Oakland A’s, die er nach einem neuen System zusammenstellt. Für die Mannschaft arbeitet er noch immer.
Der Mythisierung und Mystifizierung des Sportlers zu Lebzeiten wären also Tür und Tor geöffnet gewesen. Bennett Miller aber hat darauf verzichtet. Er konzentriert sich auf eine ausschließlich von Männern bevölkerte Parallelwelt, in der es um Geld geht, sehr viel Geld. Wobei Miller nur von der offiziellen Seite des Geschäfts erzählt. Über die inoffizielle, die es ja überall dort gibt, wo sehr viel Geld zu verdienen ist, möchte man lieber gar nicht erst nachdenken. Aber man muss es – auch das ein Verdienst dieser klugen Inszenierung.
Brad Pitt spielt diesen Billy Beane, sehr erwachsen, nicht besonders sympathisch und unter äußerstem Druck stehend: Seine Mannschaft ist nur „Organspender“ für die reichen Clubs, sagt der Manager. Immer wieder werden die guten Spieler abgeworben. Am Saisonbeginn steht Beane vor dem Problem, neue Spieler einkaufen zu müssen. Also versammelt er seine Scouts – Männer, die nichts anderes tun, als durch die Lande zu reisen und Spieler zu beurteilen und nicht schlecht davon zu leben.
Mit protokollarischer Genauigkeit ist diese Sitzung inszeniert. Die Experten sprechen über Spieler wie über Waren, deren Qualitätsmerkmale allerdings fragwürdig und nicht konsensfähig sind, nicht einmal zwischen ihnen. Billy Beane will die Kriterien objektivieren. Hierfür stellt er, zum Missvergnügen der alten Scouts, den jungen Mathematiker Peter Brand ein, der – Jonah Hill verkörpert ihn als schillernden Nerd in Nadelstreifen – detaillierte Statistiken etwa über Spielverläufe, Einzelaktionen und Laufwege anfertigt und auswertet. Sein Ergebnis: Das System, Spieler nur für den Einsatz auf einer einzigen Position einzukaufen, ist falsch. Also rät er dem verzweifelten Beane, nach Spielern zu suchen, die aus dem System gefallen sind. Gegen Widerstände des gesamten Club-Establishments bildet dieses Duo – Brad Pitt und Jonah Hill wurden dafür jeweils für einen Oscar nominiert – eine Mannschaft aus verletzten, älteren oder unangepassten Profis. Neben-Vorteil: Sie arbeiten für relativ wenig Geld, froh, dass sie überhaupt noch einer will.
Mit welchem Tempo, welcher Risikofreude und auch Ruppigkeit der verlorene Haufen der Oakland A’s zum Team geschmiedet wird; wie die um ihre Pfründe gebrachten Scouts und der in seiner Autorität angegriffene Trainer – wunderbar: Philip Seymour Hoffman – gegen die Entscheidungen Beanes wüten; wie dieser Weg, zu dem es keine Alternativen gibt, zum Erfolg führt, solange alle Konkurrenten ihn noch für untauglich halten: All das erzählt „Moneyball“ auf mitreißende Weise und erzeugt dabei Hochspannung auch für Baseball-Laien. Es geht nicht um Ergebnisse, sondern um Ideen. Und das ist Kunst.
Cinemaxx, Colosseum, Kulturbrauerei; OmU: Babylon Kreuzberg, OV im Cinestar SonyCenter
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