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Selbst ihre Gefühle wirken einstudiert. US-Sängerin Taylor Swift, 24. Foto: dpa-bildfunk
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Taylor Swift in Berlin: Spaß muss sauber sein

Wo andere Pop-Sternchen halb nackt auf Abrissbirnen reiten oder gleichgeschlechtlich knutschen, bleibt Taylor Swift stets korrekt und transportiert ein völlig anderes Frauenbild. Bei ihrem Berlin-Konzert zeigte die 24-Jährige ihre Vielseitigkeit.

Kurz bevor Taylor Swifts Konzert beginnt, wummert einer der größten Hits der letzten Jahre durch das Hallenrund: In „I Love It“, einem Song des schwedischen Elektro-Duos Icona Pop, setzt eine Frau ihren Wagen gegen einen Brückenpfeiler und schaut ihm danach erfreut beim Verbrennen zu. Auch wenn das Publikum in der Berliner O2 World dazu engagiert mit Schildern und Leuchtmitteln wedelt: Es ist interessant, diesen Song vor einem Auftritt von Taylor Swift anzusetzen, denn ein derartiges Verhalten ist der Popsängerin aus dem ländlichen Pennsylvania vermutlich fremd. Wo andere halb nackt auf Abrissbirnen reiten oder gleichgeschlechtlich knutschen, bleibt Swift stets korrekt und transportiert ein völlig anderes Frauenbild. „Good clean fun“ nennen die Amerikaner diese Art Entertainment, und die 24-Jährige ist damit enorm erfolgreich: 26 Millionen Exemplare ihrer vier Alben hat Swift seit 2006 verkauft, dazu kommen 75 Millionen Einzeldownloads. 2011 war sie die umsatzstärkste Künstlerin der USA.

Die Inszenierung ist vielfältig: Mal Nachtclub, mal Hollywood, mal Zirkusrevue

Ihr einziges Deutschlandkonzert zeigt, warum das so ist. Swift verbindet ungemein geschickt verschiedenste Rollen. Zunächst fungiert sie als Identifikationsfigur für ihre vornehmlich junge, vornehmlich weibliche Fanschar. Sie ist die Superfreundin. Das Pferdestehl-Mädchen. Die große Schwester, die genau weiß, wann sie einen drücken muss. Einmal steht sie da auf dem Steg, der ins Publikum reicht. Das Licht ist heruntergeregelt, nur ein einsamer Spot strahlt sie an. Mit bebender Stimme sagt sie ihren Anhängerinnen, dass sie immer darauf achten sollten, nicht nur den anderen, sondern vor allem sich selbst zu gefallen. Das ist Balsam für pubertätsgeplagte Seelen. Dann wieder gibt sie die große Entertainerin, die längst nicht mehr auf Country-Pop setzt: Balladen, Banjo-Picking, markige Gniedel-Soli von fragwürdig frisierten Rock-Gitarristen, große Momente am Klavier, Pauken mit Musical-Schlagseite, ein paar Achtziger-Jahre-Referenzen, sogar ein paar Dubstep-Beats. Swift und ihre Band formen aus alldem ein gängiges Best-Of-Everything, das über allen Genres schwebt. Die Inszenierung ist ähnlich vielfältig: Ganze Tanzkompanien wuseln über die Bühne und führen eine Vielzahl Choreografien auf; dass sie während eines Songs große rote Fahnen schwenken, irritiert, hat aber keinerlei politischen Subtext: Swifts Tour heißt wie ihr aktuelles Album: „Red“.

Im Hintergrund winken animierte Traumlandschaften. Mal wähnt man sich im Nachtclub, mal im Hollywood der dreißiger Jahre, mal in einer Zirkusrevue. Swift versinkt zwischen den Songs immer wieder im Boden, wechselt die Klamotten, taucht an anderer Stelle der Bühne wieder auf. Gegen Ende des knapp zweistündigen Sets schaut der britische Sänger Ed Sheeran vorbei, gemeinsam schmettern sie seinen „Hobbit“-Hit „I See Fire“.

Interessant ist dabei: Taylor Swift bewahrt stets Haltung. Nie wirkt sie angestrengt, nie zittert ein Mundwinkel, jeder Handgriff sitzt, auch jede Emotion ist ein sorgsam einstudierter Teil des Gesamtkonzepts. Wenn sie winkt, sie sich bedankt, hat das immer auch etwas von einem Staatsbesuch. Swift ist nämlich eine große Obama-Anhängerin, mit dem Kennedy-Clan befreundet und hat Bücher über Abraham Lincoln gelesen. Sie würde eine gute Politikerin abgeben.

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