Kultur: Spannung ist alles
Zum Tod des französischen Filmregisseurs Jacques Deray
„Hitchcock des französischen Films“? Der eilige Vergleich, den die Nachrichtenagenturen gestern in ihren Nachrufen zogen, ist unfair. Nicht nur Jacques Deray gegenüber, der ein sehr Solider des französischen Spannungskinos war. Sondern er wäre jedem Regisseur gegenüber unfair. Denn Hitchcock war und ist und bleibt Hitchcock. Einmal. Unwiederbringlich. Basta.
Andererseits haben französische Kritiker Jacques Deray in seinem besten Jahrzehnt, den Sechziger Jahren („An einem heißen Sommermorgen“, „Die Haut des anderen“, „Borsalino“), mit Jean-Pierre Melville verglichen – und da sind wir schon näher dran. Auch wenn Deray nie Melvilles visuelle und kompositorische Eleganz erreichte, nie jenen Dauerschauder, nach dem der Suspense verlangt, auf eine spannende Handlung setzte er schon. Und auf Stars. Und damit war er in Frankreich lange einer der Erfolgreichsten.
Sein Liebling? Alain Delon. Mit Delon hat er acht Filme gedreht – sogar seinen letzten noch fürs Kino, „L’ours en peluche“ (Der Plüschbär), vor neun Jahren. Und mit Delon – und Romy Schneider – landete er, 1969, seinen größten Hit: „La piscine“. Die beiden spielten ein rätselhaft verbandeltes Paar mit Gästen: Maurice Ronet gab den playboyhaften Ex der Gastgeberin, die blutjunge Jane Birkin seine Tochter. Sommer, Trägheit, Laszivität, und irgendwann gibt es einen Toten. Der Film ist auch heute noch sehenswert; François Ozon etwa hat seinen „Swimmingpool“, der nun bei uns ins Kino kommt, sorgfältig an jener berühmten „Piscine“ vorbeigefilmt.
Geboren 1929 in Lyon, wollte Deray zunächst Schauspieler werden, bevor er sich als Regieassistent von Buñuel und Dassin verdingte. Mit 30 drehte er seinen ersten Film („Le Gigolo“) und von da an rund zwei Dutzend Filme fürs Kino und zuletzt durchaus noch fürs Fernsehen. Geblieben war ihm von der Lust, Schauspieler zu werden, die Lust, mit Schauspielern zu arbeiten – am liebsten großen Schauspielern, von Charlotte Rampling bis Michel Piccoli, Yves Montand bis Jean-Louis Trintignant.
Nein, Jacques Deray, der in der Nacht zum Sonntag in Boulogne-Billancourt bei Paris nach langer Krankheit starb, war nicht der Hitchcock des französischen Films. Er war auch nicht einer jener „auteurs“ der Nouvelle Vague, die das französische Kino im vergangenen Jahrhundert unsterblich machten. Er war nicht mehr als ein Genre-Regisseur, der ein großes Publikum intelligent und notwendigerweise aufregend unterhalten wollte. Und das ist ihm gelungen. Es gibt schlechtere Ziele – und schlechtere Bilanzen – im Leben.
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