Messen auf der Berlin Art Week: Sound aus dem Schirm
Berlin im Messefieber: Die Positions wirbt mit neuen Konzepten. Die Art Berlin Contemporary bleibt experimentell. Mit diesem Zwiegespann zeichnet sich eine echte Option für die Zukunft ab.
Soll keiner sagen, in Berlin arrangiere man sich mit den Gegebenheiten der vergangenen Saison oder verharre gar im Status quo. Das Gegenteil ist wahr: Sobald sich hier eine Tradition kristallisiert, kommt garantiert schon wieder jemand und wirft alles um.
Dieses Jahr hat es die Preview erwischt. Eine von zwei Satellitenmessen, die das Art Forum überlebt und einfach weitergemacht haben, nachdem Berlins zentrale Kunstmesse 2011 überraschend abgesagt worden war. Mit dem Hangar im Flughafen Tempelhof schien ein passender Ort gefunden, die Liste der Teilnehmer bewegte sich auf stabilem Niveau. Bis die Preview vergangenes Jahr umziehen musste und zur Berlin Art Week an einem wilden Ort in Mitte wieder einmal neu begann.
Die Bilanz war ernüchternd, der Wunsch nach Umstrukturierung groß. Der Berliner Galerist Kristian Jarmuschek hat nun die Chance ergriffen und mit der Positions eine neue, viel versprechende Messe gegründet. Seine Kollegen sehen das offenbar ähnlich: Jarmuschek, aus den Zeiten als Ko-Direktor der Preview mit reichlich Erfahrung und gutem Netzwerk gesegnet, versammelt auf Anhieb über 50 Teilnehmer für die Schau im ehemaligen Kaufhaus Jandorf am Weinberg. Darunter sind Galerien wie dr. julius | ap oder Mianki, die man vergangenes Jahr schon auf der Vorgänger-Messe gesehen hat. Es nehmen allerdings auch Friedrich Loock, Carsta Zellermeyer und Marcus Deschler teil – Berliner Galeristen, für die das Art Forum als Fixpunkt im Kunstherbst einst wichtig war, die sich mit den alternativen Konzepten der beiden übrigen Messen – etwa den gleich großen Kojen für alle oder den Kriterien der Jury – jedoch nie richtig anfreunden konnten.
Neue Professionalität
Die neue Professionalität der Positions, die „schlaglichtartig auf die zeitgenössische Kunstszene Berlins schaut“ (Kristian Jarmuschek) und dazu international etablierte Positionen zeigen will, kommt nicht bloß gut an. Sie könnte zugleich für jenen Schub sorgen, auf den Berlins Kunstmarkt schon länger wartet: Als Ergänzung zur Art Berlin Contemporay (ABC), die diese Aufgabe als privat organisierte Verkaufsschau seit Jahren mehr oder minder solo leistet.
Hier treffen starke künstlerische Positionen etwa von Haegue Yang, John Bock, Jonathan Meese, Stefan Kern oder Tobias Rehberger mit auswärtigen Galerien wie Georg Kargl (Wien), Rabervonstenglin (Zürich) oder Jocelyn Wolff (Paris) zusammen, die global unterwegs sind. Gemeinsam sorgen sie für Aufmerksamkeit und schärfen das Profil der ABC im Kreuzberger Station jedes Jahr ein bisschen mehr. 2013 lag ein Schwerpunkt auf Performances und überraschenden Interventionen, die nur erleben konnte, wer sich länger auf dem Messegelände aufhielt. Diesmal verlagert sich der Akzent auf partizipatorische Arbeiten, wenn beispielsweise Bernhard Leitner seine Soundschirm am Stand der Kunsthandlung Wolfgang Werber installiert oder Fiete Stolte (Galerie Sassa Trülzsch/Galerie Helga Klosterfelde) eine Fotokabine aufstellt, in der nur Augen abgelichtet werden – und sich das Porträt des Besuchers in dessen Pupille widerspiegelt.
Kollaboration als Gebot der Stunde
Dass die ABC damit einen ungewöhnlichen Weg einschlägt, weil solche Werke weit schwerer verkäuflich sind als herkömmliche Bilder und Skulpturen, ist ebenso klar wie die Pionierrolle, die das Berliner Messeformat damit einnimmt: So annoncierte die Art Basel ein halbes Jahr nach der abc von 2013 ebenfalls performative Arbeiten in ihrem Programm.
Konkurrenz belebt das Geschäft, aber Kollaboration ist das Gebot der Stunde in der Stadt. „Mit unserer Messe machen wir einen Schritt in diese Richtung“, meint Jarmuschek selbstbewusst. Und wirklich zeichnet sich mit Berlins Zwiegespann eine echte Option für die Zukunft ab: Hier das große Experiment abc, dort die Positions im Geist des arrivierten Art Forums. Die Messe war umstritten, und nicht wenige haben ihr das Ende gewünscht. Wie etabliert sie war – und trotz aller Kritik die begehrten Sammler zuverlässig jeden Herbst nach Berlin ziehen konnte –, hat man zu spät gemerkt. Nun wäre die Gelegenheit zur Revision.
Art Berlin Contemporary, www.artberlincontemporary.com & Positions Berlin, www.positions.de (beide vom 18.–21.9.)