Robert Redford wird 80: Sonnyboy und Superstar
Vielumschwärmt war er, politisch engagiert bleibt er: An diesem Donnerstag wird der US-Schauspieler Robert Redford 80. Ein Porträt.
Nicht gerade einfach, zum Wesen des Robert Redford vorzudringen, immer stellen sich irgendwelche Äußerlichkeiten dazwischen. Vor neun Jahren zum Beispiel, als alle Medienwelt den Siebzigsten des in Santa Monica geborenen Weltstars feierte, wurde bekannt, dass das kalifornische Geburtsregister einen Charles Robert Redford zwar mit dem Datum des 18. August in den Akten hatte, allerdings des Jahres 1936. Ein bloß spät entdeckter Fehler – oder hatte sich da ein kurioser Rumpelstilz jahrzehntelang um ein lausiges Jährchen jünger gemacht? Wie auch immer, die Korrektur erfolgte, nun ja, in aller Stille.
Oder die Sache mit dem Liften. Viele erfahrene Beobachter der Physis des amerikanischen Großschauspielers, Produzenten und längst auch Regisseurs diagnostizierten um die Jahrtausendwende herum eine signifikante Verjüngung seiner Gesichtszüge. Andererseits: Wetterte Redford nicht seit jeher vehement gegen die Botoxerei, tut er das nicht leidenschaftlich bis heute gegenüber jedem Journalisten, der ihn auf das Thema anzusprechen wagt? „Schauen Sie mich an!“, sagte er etwa 2008 dem „Playboy“, gefolgt von breitem Gelächter. Und schon war die Angelegenheit wieder mal irgendwie erledigt.
Oder der dunkelblonde, manche sagen gern: „erdbeerblonde“ Wuschelkopf, der ganz bestimmt nicht gefärbt sei, „obwohl mir das keiner glaubt“, wie er vor zwei Jahren der „Bunten“ bekannte: Hat der nicht, zumindest leuchtwertig, eine verblüffende Ähnlichkeit mit der wundersamen Frisur eines derzeit extrem bekannten, zehn Jahre jüngeren Amerikaners, die die „FAZ“ als „eines der großen Kunstwerke der Menschheit“ rühmt?
Höchste Zeit, über das Wesentliche des Robert Redford zu sprechen: Weiter weg als von Donald Trump könnte es gar nicht sein. Denn Redford ist, fast seit frühester Jugend, ein waschechter, ziemlich radikaler Linker. Auf dem Höhepunkt der Watergate-Affäre hatte er die Rechte an jenem Stoff gekauft, der zu Alan J. Pakulas legendärem Politthriller „Die Unbestechlichen“ (1976) führen sollte – gemeinsam mit Dustin Hoffman trat Redford als mutiger „Washington Post“-Reporter da der Nixon’schen Lügenmafia entgegen. Und allein im jüngsten Jahrzehnt inszenierte er („Von Löwen und Lämmern“, „Die Lincoln-Verschwörung“, „Die Akte Grant“) linke Politthemen noch und noch.
Und ein Öko ist Redford ebenso. Oder wie anders wäre seine Naturliebe, sein Umweltschutzengagement, seine zäh den Immobilienhaien abgerungene Privatrepublik in Utah einzuordnen, die er nach seiner ersten Western-Paraderolle in „Butch Cassidy und Sundance Kid“ (1969) prompt Sundance taufte? Sundance heißt auch das von ihm seit den achtziger Jahren geleitete Filmfestival, zu dem die globalen Independents stets im Januar ins nahe Park City pilgern. Ja, alle großen Hinweistafeln dieser Vita sind irgendwie rotgrün, mit einem bunten Herzen für die Jugend in der Mitte.
Seine Substanz hat Redford aus der europäischen Erfahrung geformt
Redfords eigene Jugend dagegen sah viel grauer aus: der Vater immer schlecht gelaunt, die geliebte Mutter stirbt früh, der Junge, zwar eine Sportskanone, aber ein Rauf- und Saufbold, fliegt vom College, kurzum: ein „Denn der weiß echt nicht, was er tut“-Halbstarker der mittleren fünfziger Jahre. Rausgekommen aus dem frühen Lebensekel-Dilemma ist Redford ausgerechnet durch einen 18 Monate dauernden Europaaufenthalt, auf Tramp-Reisen mit wenig Geld in Frankreich, Deutschland und Italien. Ein Kunststudium in Florenz scheitert so krachend wie so ziemlich alles, was er bis dahin unternommen hat; zum Ausgleich aber genießt das gesellschaftliche Greenhorn eine echte éducation politique. Mit „Ungarnaufstand, mir doch egal, Politik interessiert mich nicht“ kommt er bei seinen Altersgenossen jedenfalls nicht durch.
Aus diesen europäischen Erfahrungen vor allem hat Redford seine Substanz geformt, auch jenen Wall, mit dem er sich gegen das lebenslange Etikett des Sexsymbols, des Schönlings, des Traummanns, des Frauenschwarms zu wehren sucht. Auch gegen die nie ganz verstummte Nachrede, zwar super auszusehen, aber nicht gerade ein super Schauspieler zu sein. Andererseits, mit dem Typus des sportiven Sonnyboys eroberte er ein Millionenpublikum – von „Der Clou“ (1973) über „Der große Gatsby“ (1974), „Jenseits von Afrika“ (1985) und „Ein unmoralisches Angebot“ (1993) bis hin zum spürbar gereiften, maskulin melancholischen „Pferdeflüsterer“ (1998).
Der alte Mann und das Meer
Nicht unbedingt schön, bis ins reichlich barmherzig voranrückende Alter bloß für einen Beau gehalten zu werden, und mitunter klagt Redford auch heute noch darüber auf tonhohem Niveau. Aber das Ego! Das Ego macht etwa, dass Redford die Rolle in „All Is Lost“ (2013) annahm: die Alleinrolle eines im Indischen Ozean verunglückenden Seglers, der nach der Kollision mit einem vom Frachter gefallenen Container dem sicheren Tod entgegensieht. 105 Minuten nichts als Kajüte und Redford, Salzwasser und Redford, Rettungsinsel und Redford, nichts als der alte Mann und das Meer. Wer da nicht auf den Knien lag und auf sofortigen Oscar plädierte, hatte zumindest kein Seglerherz.
So geht das mit Robert Redford, der tatsächlich heute tatsächlich achtzig wird: Irgendwie steht die Erscheinung dem Wesen bleibend im Wege. Und umgekehrt. Es gibt Schlimmeres.
Jan Schulz-Ojala
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