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Kultur: Sonnenwende

Hélène Grimaud und Sol Gabetta in Berlin.

Es gibt Paarungen, die sind so schön, dass man sich einfach nicht vorstellen möchte, sie kämen direkt aus dem Marketinghimmel. Mit Hélène Grimaud und Sol Gabetta haben zwei charismatische, selbst auf Fotos von innen leuchtende Musikerinnen zusammengefunden: erst ein Probespiel am Rande eines Festivals, dann eine CD über trennende Labelgrenzen hinweg, nun eine Tournee – Kammermusik, flankiert von intimen Bekenntnissen. „Ich bin mehr die Luft, Hélène ist die Erde“, erklärt Gabetta in diversen, exakt gleichklingenden Interviews. „Sie erdet mich, im metaphysischen wie im handfesten Sinn, und zwischen diesen beiden Polen schwingt auch unsere Musik.“ Außerdem geht es um Menschen, die man mag, ihr Musizieren aber nicht aushalten kann, und das Glück, sich als Musiker weiterentwickeln zu können. Um die Komponisten des gemeinsamen Programms geht es immer nur ganz am Rande.

Die Philharmonie ist restlos ausverkauft, als Gabetta und Grimaud die Bühne betreten, zum Musizieren vor dem Signieren. Tatsächlich hat sie ihr temporäres Duodasein verändert. Gabettas Sol scheint plötzlich verschattet, ihr Spiel müht sich mit einem unsichtbaren Widerstand. Schumanns Fantasiestücken haftet etwas Gehemmtes an. Noch gedrückter die Stimmung in Brahms’ 1. Sonate für Cello und Klavier: Kein leidenschaftliches Rubato reißt hier den Horizont auf, mit gebremstem Eigensinn verliert auch die Musik an Wärme. Man spürt: Die zwei wollen sich nichts nehmen – und können sich so nur begrenzt etwas geben. Dann ein Debussy, dessen Wunsch nach einem Spiel „léger“ sich nie einstellt, und ein Schostakowitsch, den Gabetta schon viel bezwingender gespielt hat. Zugaben, Melosfluten. Gabetta singt sich frei, Grimaud bleibt zurück. Unglücklich wirkt sie nicht darüber. Ulrich Amling

Ulrich Amling

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