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Grande Dame. Martha Argerich
© Warner Classics

Martha Argerich und Mischa Maisky: So süffig, so schön!

Die Pianistin Martha Argerich und der Cellist Mischa Maisky machen auf ihrer „40 Years of Friendship-Tour“ Station in Berlin.

Anfangs hebt in den Zwischensatzpausen ein so schwerwiegendes Röcheln und Husten an, dass es Martha Argerich und Mischa Maisky fast von den Hockern weht, jedenfalls zu Maßnahmen drängt, um Heft, Zügel und Klangaufkommen in der Hand zu behalten. Denn der Komponist César Franck hat die vier Sätze seiner impressionistisch, dann wieder wild und hochvirtuos anmutenden Sonate A-Dur keinesfalls ohne Pausen aneinandergefügt, nein, es ist Argerich, die über die Satz-Enden springt und einfach weiterspielt, damit im Saal keiner mehr auf irgendwelche Ideen kommt.

Unterdessen wird an diesem Abend in der Philharmonie doch mit gläubiger Inbrunst gelauscht, wie die beiden Großmeister der klassischen Musik auf ihrer „40 Years of Friendship-Tour“ miteinander musizieren: vor Franck noch Schuberts empfindsame „Arpeggione“-Sonate spielen sowie Beethovens überraschend romantisch tönende Sonate g-moll mit ihren ersten Schrecksekunden und harmonischen Such- und Tastgängen, den schweren Klangmassiven unter finsteren Akkordwolken gleich danach. Es ist eine Freude, Argerich und Maisky zuzuhören.

Noch beeindruckender freilich als das Gewicht der Kompositionen, noch bemerkenswerter als die Begeisterung des Publikums für die wie stets mit wallendem Haar Auftretenden (Argerich anthrazitfarben, Maisky weißgelockt), die am Ende drei Encores zugeben werden, ist die tiefe Gewissheit, mit der beide über die ideologische Erstarrung der historischen Aufführungspraxis hinwegsetzen.

Ist Genießen hier schon guilty pleasure? Zumindest denkt man darüber nach. Denn sicher, an Maiskys heftige Sinnlichkeit am Instrument muss man sich immer erst gewöhnen, und unter Argerichs Händen klingt der Flügel schon in den ersten Melodiezügen der Schubert- Sonate raffiniert, mit Mikro-Dimensionen von Klangfarben, die man gar nicht schnell genug aufnehmen kann. Doch dass Reduktion und Beschränkung, dass Freilegen und Abschmirgeln immer das erste Mittel der Wahl sein sollen, wenn es um Musik des 18. und frühen 19. Jahrhunderts geht, dass sich Vibrato-Alarme und Rubato-Verbote gewissermaßen von selbst erklären, ist ebenso schwer zu rechtfertigen wie es schade wäre, der Süffigkeit und Spielfreude abzuschwören, die sich mit Aufführungspraktiken späterer Jahrzehnte eingestellt hat. Konstruktionen gibt es hier wie dort – die Wahrheit liegt auf dem Platz, und hier steht an diesem Abend alles auf Sieg.

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