Oper konzertant: So klingt Belcanto, ihr Barbaren! Giuseppe Verdis „Attila“ in der Philharmonie
Hier wird mit den Waffen eines Mannes gekämpft. Auch von der einzigen Frau, die in Giuseppe Verdis „Attila“ auftritt.
Hier wird mit den Waffen eines Mannes gekämpft. Auch von der einzigen Frau, die in Giuseppe Verdis „Attila“ auftritt. Weil der Hunnenkönig bei seinen Raubzügen durch Italien auch Odabellas Vater massakrieren ließ, hat sie Rache geschworen. Attila soll fallen. Und tatsächlich wird die amazonenhafte Dame im Finale der 1846 uraufgeführten Oper dem Barbaren sein eigenes Schwert ins Herz stoßen.
Bei der konzertanten „Attila“-Aufführung der Deutschen Oper, die aufgrund von Bühnenbaumaßnahmen im Charlottenburger Stammhaus am Mittwoch in der Philharmonie stattfindet, schlägt Liudmyla Monastyrska ein wie ein Blitz. In Odabellas Auftrittsarie kommt es zum vokalen Wetterleuchten, wenn die Sopranistin die Oktaven durchmisst: in drei Sekunden von den Höhen einer Königin der Nacht zur gutturalen Carmen-Tiefe. Doch die ukrainische Koloraturkugelstoßerin vermag ihre Riesenstimme auch zu bändigen, den Furor zu fokussieren, in zarten, silbrig glänzenden Kantilenen. Ein elementares Ereignis.
Neben Liudmyla Monastyrska wirken alle beteiligten Herren besonders vornehm. Selbst Roberto Tagliavini als Hunnenkönig. Ganz kurzfristig hat der Italiener die Titelrolle für Erwin Schrott übernommen – und feiert als Einspringer einen Überraschungserfolg: dank seiner elaborierten Phrasierungskunst, seines edles Bassbaritontimbres, einer geradezu aristokratischen Textbehandlung. So stolz, als trüge er nicht Frack, sondern einen goldenen Brustpanzer, singt Dalibor Jenis den römischen Feldherren Ezio – ein Attila-Gegner auf Augenhöhe, sowohl im Libretto wie live im Saal.
Neben diesen beiden gewieften Strategen verströmt sich Massimo Giordano als Odabellas Geliebter Foresto in naiver Emphase, ein Interpret von natürlicher Leidenschaft, der mit seinem sonnig-hellen, typisch italienischen Tenor mühelos weite Melodiebögen schlägt. In blendender Verfassung schließlich präsentiert sich einmal mehr der von William Spaulding präparierte Chor der Deutschen Oper.
Wenn sich das Publikum von diesem raren Barbaren-Drama mitreißen lässt, wenn es am Ende dieser umjubelten Aufführung gar unerklärlich scheint, dass „Attila“ so selten gespielt wird, dann ist das natürlich auch das Verdienst von Pinchas Steinberg. Weil der israelische Dirigent dem Orchester jenen akkuraten Puls abfordert, jene rhythmische Dringlichkeit, die bei den frühen und mittleren Verdi-Werken unabdingbar sind. Nur wenn sich die Musiker nämlich rückhaltlos in den Dienst der Sache stellen, ihre scheinbar anspruchslosen Begleitfiguren mit voller Aufmerksamkeit ausführen, entsteht ein Klangraum mit Tiefendimension, in dem sich die herrlichen Melodien frei entfalten können. Frederik Hanssen
Noch einmal heute, Freitag, 19.30 Uhr.
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