Szenen einer Ehe im Theater am Kurfürstendamm: Der Gatte trägt in der Hand eine Bierdose und am Körper eine Art Heimwerkerweste. Das Kleidungsstück ist eine falsche Fährte. Denn dieser Mann gehört nicht zu jener Ehekomödienspezies, die wortkarg im Hobbykeller werkelt. Hier haben wir es mit einem Exemplar zu tun, das ausschließlich vorm Fernseher sitzt. Wir sehen nicht, was es guckt, befürchten aber aus gutem Grund das Schlimmste: Deutlich legen Fernsehsound und Gattenmiene den Kinderkanal nahe. Der Ehefrau zufolge lässt sich diese Programmpräferenz aus dem Beuteschema herleiten. Denn der Heimwerkerwestengatte soll – auch wenn uns das jetzt nicht auf Anhieb ins Auge springt – eine Unzahl außerehelicher Affären unterhalten; vorzugsweise mit Eis schleckenden Schulmädchen. Die Ehe als geistige Regression par excellence: Bleischwer hockt das Kinderkanal-Phlegma dem von Manon Straché und Heinz-Werner Kraehkamp gespielten Paar im einst angeblich dynamischen Nacken. So kann es nicht weitergehen, sagt der Mann. Die Frau nickt. Der Zuschauer denkt das auch.
Zu Reanimierungszwecken wird die Legitimation außerehelicher Sexualkontakte beschlossen. Mit Franca Rames und Dario Fos Worten: eine „offene Zweierbeziehung“. Und da das Autorenpaar seinen angeblich aus eigenen Erfahrungen geschöpften Ehekriegsbrüller in den frühen achtziger Jahren uraufführte, als der Feminismus noch en vogue und politisches Engagement zumindest ein ernst zu nehmendes Komödienthema war, verbrämt der Gatte die sexuelle Errungenschaft mit Ideologiekritik: Das monogame Ehe-Ideal diene in Wahrheit bloß dazu, dessen ökonomische Vorteile – sprich: das Patriarchat – zu verteidigen.
Nun könnte es also losgehen mit der Bilderstürmerei. Allein: Der Patriarchatsklops kommt nicht vom Stuhl. Bleiern bleibt Michael Wedekinds Inszenierung am angespießerten Wohnzimmermobiliar (Bühne: Erwin Bode) kleben. Dabei soll schwer was los sein im Hause: Er hat die Heimwerkerweste gegen einen Anzug getauscht, seine erste „Intellektuelle“ im Schulmädchen-Repertoire und bisweilen sogar einen thematisch passenden Evergreen auf den Lippen. Und sie hat ihre „Pobacken“ durch Jogging gestrafft, farbenfrohe Blusen gekauft und einen früh habilitierten Physiker mit Nobelpreisnominierung und romantischer Ader gefunden. Doch so, wie Kraehkamp die Augen aufreißt und statt Wut und Eifersucht eher den Charme des Märchenonkels versprüht, mag man das schwer glauben.
Schade. Wenngleich Rame und Fo nicht an die Abgründigkeit des Albeeschen Ehekriegsklassikers „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ heranreichen, demontieren sie Ehe- und Rollenklischees mit wunderbarem Biss. Insofern haben die durch die Karree-Umbaupläne unverändert existenzbedrohten Ku’damm-Bühnen einmal mehr aufs richtige Stück gesetzt. Nur die Inszenierung geriet leider recht zahnlos.
Theater am Ku’damm, bis 30. April.
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