zum Hauptinhalt
Marek Janowski
© Mike Froehling/RSB

Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin: Silvester mit dem Glorienschein

Lebendige Tradition: Wie immer zu Silvester dirigiert Marek Janowski Beethovens Neunte im Konzerthaus

Die Sinfonie mit dem Heiligenschein, die Sinfonie mit dem Tschingderassabum: Keine ästhetische Kritik war bisher imstande, die Sonderstellung der Neunten Ludwig van Beethovens ernstlich zu gefährden. Die Aura unerhörten Reichtums ist um sie. Und die Botschaft des Friedens. Die Utopie, alle Menschen könnten wie Brüder miteinander leben.

Dass Marek Janowski und das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin – wie etwa auch das Gewandhausorchester – die Tradition hüten, mit dem d-Moll-Werk den Jahreswechsel zu begehen, wird von einem breiten Publikum freudig aufgenommen. Im Konzerthaus herrscht hohe Konzentration.

Janowski geht von einem lebendigen Grundkonzept aus, das die Anweisungen aus den Satzüberschriften „un poco maestoso“ (ein wenig majestätisch) und „cantabile“ zusammenführt. Daraus folgt, dass seine Interpretation nichts Schleppendes, Pompöses aufweist. Wie aus dem Ungewissen die große Steigerung hervorgeht, das ist ein Versprechen, das die folgenden Sätze einlösen. Der erste ist eher noch Vorbereitung.

Im Scherzo vibriert das Melos ohne Übertreibung des Vivace-Charakters, das Thema hetzt nicht, eine Ahnung lieblicher Eleganz mit atmenden Pausen kommt auf, weil das Tempo steht, den Hörnern wird Luft gelassen in der Wiederholung der pastoralen Melodie.

Das Adagio beginnt ganz als Gesang, „cantabile“, ruhig und erfüllt, aus dem fließend das Seitenthema hervorgeht, die Violinen blitzen leise, das Solo des dritten Horns crescendiert selbstbewusst. Das Wesentliche ist bei Janowski der natürliche Ausdruck der Musik.

So singt sich bei ihm auch das Freudenthema in den Celli und Kontrabässen differenziert aus, ohne zu raunen. Und wenn dann Fagotte, Triangel, Becken und große Trommel zum Marsch ansetzen, dann nimmt die Stelle sich beinahe rührend aus nach der kontrolliert gehaltenen Fortissimo-Fermate „Vor Gott“.

Wiederum kann das RSB, das dem Maestro sichtlich mit gespanntester Sorgsamkeit folgt, auf die Mitwirkung des Rundfunkchors Berlin (Einstudierung: Nicolas Fink) bauen. Was sich der taube Komponist an heiklen Höhen „über Sternen“ (pianissimo!) ausgedacht hat, beherrscht der Chor mit nonchalanter Professionalität, besonders edel klingen die Männerstimmen: „... muss ein lieber Vater wohnen.“

Im heterogenen Quartett der Vokalsolisten fordert der lettische Bass Egils Silins etwas knarzig im Klang, aber emphatisch im Ausdruck zu freudenvolleren Tönen auf. Mutig gestaltend und mit anmutigem Körpereinsatz führt der österreichische Tenor Andreas Schager den brüderlichen Siegeslauf an, während die amerikanische Sopranistin Jacquelyn Wagner das berühmte, gefürchtete hohe H des „Flügelquartetts“ (im Alt: Karen Cargill) mühelos und cool erreicht.

Auf eigenen Wunsch amtiert Marek Janowski nun nicht mehr als Chefdirigent. Aber die Harmonie mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester, das er geformt und geadelt hat, strahlt als Freudenbotschaft aus der Aufführung bis ins Prestissimo. Sie verschafft den weiteren Konzerten, die er mit dem Orchester plant, gespannte Erwartung.

Zur Startseite