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Psst. Carraccis Satyr geht zur schlafenden Nymphe.
© SMB, Kupferstichkabinett / Volker H. Schneider

Ausstellung „Arkadien. Paradies auf Papier“: Sehnsucht nach Arkadien

Es galt als Spielwiese für freie Liebe und ungezügelten Sex: Arkadien. Das Berliner Kupferstichkabinett spürt dem "Paradies auf Papier" in einer Ausstellung nach.

Et in Arcadia ego, auch ich bin in Arkadien anwesend, erklärt der Tod und begrenzt die Idylle. Ohne ihn wäre Arkadien im mythischen Goldenen Zeitalter angesiedelt, zugleich jedoch auf eine reale Landschaft in Mittelgriechenland verweisend, als poetisches Traumland selbst für die Imagination zu schön gewesen. Arkadien war eine literarische und bildkünstlerische Projektionsfläche, die bewegliche Geister über Jahrhunderte hinweg träumen und zweifeln ließ.

„Arkadien. Paradies auf Papier“ heißt die Ausstellung des Berliner Kupferstichkabinetts, die bis auf zwei Leihgaben aus dem eigenen Bilderschatz schöpft. Ihre Kuratorin Dagmar Korbacher zeichnet die künstlerische Arkadiensehnsucht von Ende des 15. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts in gut hundert italienischen Zeichnungen, Druckgrafiken und illustrierten Büchern nach. Die zu diesem Thema weniger ergiebige Kunst nördlich der Alpen bleibt ausgeklammert. Ausgewählt sind Blätter, die den Untertitel „Paradies auf Papier“ auch als Lob der eigenen Sammlung erscheinen lassen. Im vorfrühlingshaften Hier und Jetzt stößt diese Reise in Gedanken ein Fenster ins Blaue auf.

Der Topos Arkadien entstand in der Literatur der Antike. In Theokrits „Idyllen“ und Vergils „Eklogen“ erzählen sich Hirten in der Mittagshitze ihre – meist unglücklichen – Liebesgeschichten. Im Italien der Frührenaissance entdeckten humanistisch orientierte Autoren die alten Geschichten neu: Der Neapolitaner Jacopo Sannazaro begründete mit seinem volkstümlichen und äußerst erfolgreichen Schäferroman „Arcadia“ um 1500 ein Genre, dem sich auch Literaturgrößen wie Tasso und Ariost verpflichtet fühlten.

Der humanistische Literaturdiskurs und der durch den Buchdruck schlagartig etablierte Literaturbetrieb wiesen den Bildkünsten den Weg. Frühe Blätter wie die um 1465 entstandenen „Tarocchi di Mantegna“, die weder Tarotkarten sind noch von Andrea Mantegna stammen, lassen die Nähe zur Didaktik spätmittelalterlicher Buchkunst noch klar erkennen. Nur wenige Jahrzehnte später schuf Sandro Botticelli mit seinem in Berlin gehüteten Zyklus von Zeichnungen zu Dantes „Divina Commedia“ Bildwelten, die weit mehr sind als Illustrationen.

Das Sehnsuchtsthema Arkadien explodiert den Künstlern förmlich unter den Händen. Die Fantasie mag beflügelt haben, dass Arkadien als Spielwiese freier Liebe und ungezügelter Sexualität galt. Pan Deus Arcadiae, Pan, der Gott Arkadiens, liest man auf einem um 1500 entstandenen Kupferstich von Nicoletto da Modena. Es sind Pans Gefolgsmänner, die Satyrn, die auf anderen Blättern schlafenden Nymphen nachstellen, während sich ihre selten dargestellten, ebenfalls bocksfüßigen Frauen dem Nachwuchs widmen.

Doch auch Kultur und Bildung versprechen arkadische Genüsse. Auf einer Federzeichnung von Federico Zuccari erklimmen strebsame Gestalten den Berg der Tugend, um sich auf dem Gipfel im Garten der Künste zu entspannen. Der Aufstieg lohnt sich.

Kupferstichkabinett am Kulturforum, bis 22. Juni. Der Katalog (Michael Imhof Verlag) kostet 24,95 Euro.

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