Was haben Strawinsky und Schumann miteinander gemeinsam? Den Bezug zum Barock, stellt Daniil Trifonov bei seinem umjubelten Klavierabend im Kammermusiksaal unmissverständlich klar. Spätestens seit seinem Triumph beim Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb 2011 wird der knapp 23-jährige Russe allerorten enthusiastisch gefeiert. Sein Tiefsinn und seine gestalterische Fantasie werden überschwänglich gelobt. In dem Drang, sich Freiheiten zu gestatten, in Klang und Gefühl zu schwelgen, kann er sich bestätigt sehen.
Und vieles besticht zunächst auch. Schon bei Strawinskys „Serenade in A“, 1925 für erste eigene Schallplattenaufnahmen entstanden, fallen Trifonovs schöne Pianofarben auf, ein leuchtender, bei aller Zartheit intensiver Diskant über pedalverschatteten Begleitfiguren, ein warmes, melodiebetontes Mezzoforte vor allem in der „Romanza“. Dafür knallt das Forte, wirkt gedrückt, statt Raum zu entfalten – bei Strawinskys forscher „Hymne“ durchaus akzeptabel. Toccatenhaftes Passagenwerk macht die polyfone, gleichwohl statische Musik interessant – von Trifonov überraschend akzentuiert und mit reichlichen Rubati geradewegs in die Romantik katapultiert. Was Meister Strawinsky wohl dazu gesagt hätte?
Tatsächlich tauchen bei Schumanns „Symphonischen Etüden“ einige Stilmittel und Kniffe wieder auf – das schwebende Piano der flirrenden Arpeggien in der ersten nachgelassenen „Etüde“, die trocken-knorrige Bassfigur des anschließenden „un poco più vivo“, die klangvolle Mittelstimmenbelebung des polyfonen Gewebes, manchmal auch die Willkür im Umgang mit dynamischen und Tempovorschriften. Das hat seine Licht- und Schattenseiten: Wenn in der hier etwas ungleichmäßig nach dem barocken Modell der „französischen Ouvertüre“ rhythmisierten Nr. 7 die Bewegung plötzlich zum Stillstand kommt, sich fast tonlos zurückzieht, dann ist ein großer poetischer Moment erreicht. Doch in Nr. 2 zerbricht der melodische Bogen über schwindelerregenden Akkordsprüngen, und das gedrückte Forte verrät die Mühe der Schlussvariation, lässt keinen freien Schwung „gegen die Philister“ aufkommen.
Zwischen diesen beiden Eckpfeilern zeigt Trifonov impressionistische Klangkultur. Nach zwei glatt abschnurrenden Nummern aus Debussys „Images“ erklingen die unerfindlicherweise um die „Valles de cloches“ beraubten „Miroirs“ von Maurice Ravel, voll meditativer Klangschatten in den „Oiseaux tristes“ und einer sich nicht ganz loslassenden „Alborada del gracioso“.
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