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Ein Pleyel-Hammerklavier aus der Werkstatt von Christoph Schreiber.
© www.konzertfluegel.com

Piano Salon Christophori: Schwebende Last

Ein verwunschener Ort: Der Piano Salon Christophori in den Uferhallen in Berlin-Wedding bietet historische Flügel. Und fantastische Konzerte.

Die Zeiger der Uhr stehen still, die Brückenkräne rühren sich nicht. Es dämmert über den Sheddächern, in dieser Rumpelkammer der Zeit, einem wie von Christoph Marthaler erfundenen Ort. Ein altes Abssaugrohr glotzt ins Leere, Stofflampen und Wohnzimmer-Kronleuchter verbreiten nostalgisches Flair, und der Rest der Halle ist vollgestopft mit Musik. Wir sind im Piano Salon Christophori in den Weddinger Uferhallten An den Wänden stapeln sich Deckel, Notenpulte und Pedal-Lyren von historischen Flügeln, dazwischen drängeln sich altehrwürdige Pleyels, Erards, Duysens – und ausrangierte Stühle, auf jedem freien Quadratzentimeter. 199 sollen es sein, in der alten BVG-Motorenhalle im Wedding. Früher wurden hier Busse und Trams repariert.

Schon letzte Woche lud diese "Hingehen"-Kolumne zum Tanz ins Uferstraßen-Quartier, aber aller guten Dinge sind zwei. Dass in dieser verwunschenen Werkstatt in den Uferhallen fantastische Konzerte stattfinden, Klavier, Jazz, Kammermusik, drei-, viermal die Woche, ist längst kein Geheimtipp mehr und lohnt den Besuch doch immer wieder. Impresario und Organisator ist der Arzt und Restaurateur Christoph Schreiber, mit dessen Passion fürs Hammerklavier (das Bartolomeo Christofori 1698 erfand) vor Jahren alles begann. Er lädt meist jüngere Musiker dazu ein, Künstler an der Schwelle zum Ruhm, die Instrumente seiner Werkstatt zum Klingen zu bringen.

Am Donnerstag spielte der isländische Shooting Star Víkingur Ólafsson die Goldberg-Variationen auf einem britischen Challen-Flügel von 1940 (seidenmatter Klang der oberen Register, klare, etwas zu laute Tiefen). Am Freitag traten die Geigerin Natalia Prishepenko und Ewa Kupiec auf. Heute, Sonntag, spielt die Flötistin Kathrin Christians mit Lars Jönsson am Klavier, am Mittwoch kommt der Pianist Michail Lifits.

Schon die Besucherregeln sind Kult: Anmeldung per Mail (www.konzertfluegel.com), auf den Stühlen gibt’s Namenszettel, man greift sich ein Bier oder ein Glas Wein und zahlt am Ende einen Obulus für Gage und Getränk, je nach Geldbeutel und Gefallen. Wer häufig kommt, rückt langsam nach vorne, wer reserviert und nicht absagt, wird in die hinteren Reihen zurückkomplimentiert. „Der Aufenthalt und Verkehr unter schwebenden Lasten ist verboten“, mahnt ein Schild an der vergilbten Backsteinwand hinter dem Podium, neben einer stillvergnügt grinsenden asiatischen Maske. Schwebende Last - schönes Synonym für die Musik. Wetten, dass hier nachts die Klaviergeister spuken?

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