Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz: Schweben durch die Zeit
Das neue Staatliche Museum für Archäologie Chemnitz (smac) setzt Maßstäbe in der Gestaltung – ein kultureller Höhepunkt nicht nur für die Stadt und Sachsen.
Was für ein Museum! Mit einem Paukenschlag hat der Freistaat Sachsen der Stadt Chemnitz ein wunderbares Haus beschert, das Maßstäbe setzt über Deutschlands Grenzen hinaus. Das smac oder Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz im frisch restaurierten Kaufhaus Schocken von Erich Mendelsohn begeistert nicht nur Freunde alter Schätze, sondern auch die der Architektur. Das elegant geschwungene Bauwerk mit seinen hellen Fensterbändern ist in seinem Innern auf die ursprüngliche Planung von Erich Mendelsohn zumindest für das Museum zurückgebaut worden. Wie ein Fächer breiten die drei Etagen mit ihrer gerundeten jeweils 40 Meter langen Panoramawand, die den Ausstellungsraum zur Straße hin begrenzt, mehr als 6200 Objekte aus.
Ein Fest der Archäologie wird hier zelebriert, interdisziplinär, modern, schön anzusehen, ganz ohne Schnickschnack. Schon im Foyer wartet auf den Besucher ein interaktives Sachsenmodell in Form einer Landkarte, die sich aus verschiedenen Teilen zusammensetzt und deren Oberfläche vom Besucher per Touchscreens bespielt werden kann. Die einzelnen Kartenteile können auch hochfahren auf das Niveau der Ausstellungsebenen, jeweils passend zur ausgestellten Zeit. Das gibt es sonst nirgends.
Den Aufstieg beginnt man buchstäblich aus der Tiefe der Zeit durch ein lang gestrecktes Treppenhaus, an dessen Stirnwand ein 21 Meter hohes stratigraphisches Diorama die Menschheitsgeschichte darstellt. Unten hängt noch ein Mammutknochen aus dem Profil, ganz oben liegen Straßenbahnschienen und Telefonkabel. Wer immer durch dieses Haus geht, die Geschichte lässt ihn nie los.
Auf drei Etagen werden drei große Zeiträume ausgebreitet, von rund 300 000 vor Christus bis 7500 vor Christus – die Zeit der frühen Jäger und Sammler, dann im zweiten Stock die Entstehung der Kulturlandschaft mit Hausbau, Ackerbau und Viehzucht und im dritten Stockwerk die Zeit der slawischen Besiedlung bis hin zur Industrialisierung. Denn mit der Eisenbahn verändert sich das Raum-Zeitgefühl dramatisch.
Auch bei der Inszenierung der Artefakte gilt: Klasse statt Masse
In dem Chemnitzer Museum ist eigentlich alles anders. Der Ansatz der Präsentation ist interdisziplinär. Mal wähnt sich der Besucher im Museum für Naturkunde – wegen der ausgestopften Tiere – dann im Klimahaus und schließlich doch mitten in einer großen Archäologieschau.
Aber auch bei der Inszenierung der Artefakte gilt: Klasse statt Masse. Senkrechte Vitrinen, in denen die Objekte wie in der Schmetterlingssammlung aufgespießt an der Wand stecken, wechseln mit Glaskuben, die je nach Klima warm oder kalt beleuchtet sind. Im ersten Stockwerk ist der Ausstellungsraum noch locker gefüllt. Nach oben hin verdichten sich die Vitrinen, werden die Höhenlinien auf dem Boden gerader, entsprechend der wachsenden Inbesitznahme der Natur durch den Menschen.
Ein Blickfang auf jeder Etage sind die 40 Meter langen Panoramabilder, eine unbewohnte kalte Tundra etwa und eine Kulturlandschaft, in der Menschen zunehmend Spuren hinterlassen. Die Vitrinen sind oft wie Tische oder Werkbänke gestaltet mit eingelassenen Bildschirmen, auf denen sich zusätzliche Informationen abrufen lassen. Aber auch klassische Modelle zeigen, wie unsere Vorfahren in grauer Vorzeit gelebt haben. Gerade dieser Gegensatz zwischen dem Hightech-Ansatz und dem riesigen liebevoll gestalteten Modell einer frühen Siedlung, auf dem es viel zu entdecken gibt, machen den Reiz des Museums aus, das auch emotionale Signale aussendet.
Das Atelier Brückner hat mit dieser Präsentation Maßstäbe gesetzt. Der Museumsbesuch wird zu einem Erlebnis, ohne zum Jahrmarkt der Attraktionen zu verkommen. Keine Effekthascherei, sondern wohl überlegter Einsatz von Medien und Material.
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