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Beiläufige Momente, große Tragödien. Eine Doppelseite aus „Alans Krieg“.
© Illustration: Guibert/Edition Moderne

Veranstaltung: Schurken und Soldaten

Das Thema Krieg hat im Comic eine lange Tradition, derzeit erlebt es eine Renaissance. Ein Festival im Berliner Maxim Gorki Theater geht der Beziehung auf den Grund und bringt sie auf die Bühne.

Für manche ist es wie eine Droge. Das Adrenalin, die Gewalt, der allgegenwärtige Tod – und die Euphorie, wenn man unversehrt davonkommt. Hat einen der Krieg erst einmal gepackt, kommt man nicht mehr davon los. So hat es zumindest der US-Autor David Axe erlebt. Mit dem Zeichner Steven Olexa hat er seine Erfahrungen als Kriegsberichterstatter im Irak in einem Comic verarbeitet: „War Fix“, auf dem Buchcover sieht man eine Montage aus Maschinengewehr und Heroinspritze. Die autobiografische Erzählung ist eines von Dutzenden neueren Werken, in denen Autoren und Zeichner in letzter Zeit Kriegserfahrungen in Comicform aufgearbeitet haben.

Ab dem 20. März widmet sich ein Festival im Maxim Gorki Theater dem Thema: Die Comic-Theater-Tage „Reality Kills“ loten sieben Tage lang mit Inszenierungen, Performances in begehbaren Comicpanels, Ausstellungen und Podiumsdiskussionen das Verhältnis zwischen dem Krieg und seiner visuellen Inszenierung aus. Unter Leitung der Dramaturginnen Nele Weber und Nina Rühmeier untersuchen Berliner und internationale Comic-Zeichner und Theatermacher das künstlerische Darstellungsspektrum von Gewalt.

Vor allem die bewaffneten Auseinandersetzungen in Afghanistan, wo Deutschland wieder direkt in einen Krieg verwickelt ist, und im Irak haben in den vergangenen Jahren einem Genre neuen Auftrieb gegeben, das in der Geschichte des Comics von Anfang an eine herausragende Rolle spielte. Kein Wunder: Wo sonst lassen sich existenzielle Gegensätze wie Gut und Böse, Leben und Tod so kompakt verhandeln wie auf dem Schlachtfeld, noch dazu begleitet von so spektakulären Bildern?

Amerikanischer Held: Der Supersoldat Captain America.
Amerikanischer Held: Der Supersoldat Captain America.
© Marvel

Wie werden aus Nachbarn Mörder?

In den ersten Jahrzehnten diente der Krieg im Comic vor allem als Vehikel für unterhaltsame Actiongeschichten mit propagandistischen Elementen – so wurde der Supersoldat Captain America kurz vor dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg geschaffen, um stellvertretend für die USA Hitler und andere Schurken außer Gefecht zu setzen. Nach und nach änderte sich das Bild allerdings zunehmend, die Erzählungen wurden – wie das Medium Comic als Ganzes – komplexer und reflektierter.

Heute wollen viele zeitgenössische Comickünstler hinter die manipulierte Oberfläche der Schlachtenbilder schauen und die Konstruktion von Kriegsdarstellungen nachvollziehbar machen. Comicautoren wie der Franzose Jacques Tardi wollen zeigen, was der Krieg mit den Menschen macht – und sie zeigen, wie die offiziellen Bilder vom Krieg und das Erleben der Betroffenen oft gar nichts miteinander zu tun haben, wie es Tardi in seinem kürzlich erschienenen Zweiteiler „Elender Krieg“ am Beispiel des Ersten Weltkriegs vorführt. Sie wollen – wie der Amerikaner Joe Sacco mit Kriegsreportagen wie dem jetzt auf Deutsch erschienenen Buch „Bosnien“ – ergründen, wie aus einfachen, friedlichen Zivilisten über Nacht Mörder, Plünderer und Vergewaltiger werden. Oder sie wollen aufzeichnen, wie es sich jenseits heroischer Propagandabilder anfühlt, als einfacher Soldat in den Krieg zu ziehen. Auch wenn dabei nicht immer viel Blut fließen muss, sondern Monotonie und Ziellosigkeit dominieren, wie es bei Emmanuel Guiberts einfühlsamer Soldatenbiografie „Alans Krieg“ der Fall ist, die kürzlich ebenfalls auf Deutsch erschienen ist.

Comic-Reportage: Szene aus Joe Saccos jetzt auf Deutsch erschienenem Buch „Bosnien“.
Comic-Reportage: Szene aus Joe Saccos jetzt auf Deutsch erschienenem Buch „Bosnien“.
© Edition Moderne

Guiberts Buch, das auf den Erinnerungen des US-Soldaten Alan Cope basiert, ist unter der Regie von Sascha Hargesheimer eines der Werke, die das Maxim-Gorki-Theater jetzt auf die Bühne bringt. Mitunter nähern sich in letzter Zeit auch deutsche Comic-Autoren dem Thema an: So hat der Berliner Zeichner Reinhard Kleist („Castro“) kürzlich für eine Zeitschrift eine Bilddokumentation zum Thema Völkermord im Zweiten Weltkrieg gezeichnet. Die Arbeiten von Kleist und Guibert werden während des Festivals im Foyer des Gorki- Theaters ausgestellt.

Objektivität ist nicht ihr Anspruch

„Wir wollen die Comicsprache ins Theater integrieren“, sagt der Dramaturg Cornelius Puschke, der im Rahmen des Festivals „Reality Kills“ zwei Inszenierungen von Comic- Erzählungen auf die Bühne bringt, „Alans Krieg“ sowie eine Kombination dreier multimedialer Minidramen unter dem Titel „Make Love, Not War – eine Propagandamaßnahme“. So arbeiten die Theatermacher bei einigen Inszenierungen mit Comiczeichnern zusammen, deren Arbeiten Teil des Bühnenbildes werden und die zum Teil auch live im Theater zeichnen.

Im Fall von „Alans Krieg“ sollen zwei Schauspieler auf der Bühne in Anlehnung an die lückenhafte, von persönlichen Erinnerungen geprägte Comicerzählung aus einer Unmenge Archivmaterial eine kohärente Geschichte zu entwickeln versuchen – und so die Frage verhandeln, wieweit derartige Rückblicke auf historische Ereignisse wie den Zweiten Weltkrieg immer auch subjektive, von individuellen Interessen geleitete Konstruktionen sind, wie Puschke sagt.

Sterben im Sekundentakt: Die Website zum Festival (www.gorki.de/de_DE/hpg/detail/40003/117350) ziert eine animierte Zeichnung von Tagesspiegel-Zeichner Mawil.
Sterben im Sekundentakt: Die Website zum Festival (www.gorki.de/de_DE/hpg/detail/40003/117350) ziert eine animierte Zeichnung von Tagesspiegel-Zeichner Mawil.
© Gorki-Theater

Vielleicht liegt hierin eine der Stärken des Comics bei der Darstellung von Krieg: Die meisten Autoren und Zeichner versuchen gar nicht erst, Objektivität vorzutäuschen. Es ist kein Zufall, dass sich viele von ihnen als Akteure in ihren Geschichten selbst auftauchen lassen, um deutlich zu machen: So habe ich das erlebt. Emmanuel Guibert zumindest glaubt, dass seine subjektive Darstellungsform der ebenfalls niemals objektiven menschlichen Erinnerung am ehesten gerecht wird: „Man erreicht etwas, das an Authentizität grenzt.“

„REALITY KILLS – KRIEGSBILDER IM COMIC UND AUF DER BÜHNE“, 20.-26.3., Maxim Gorki Theater: Alans Krieg, 20.+25.3., 20.15 Uhr, Make Love, Not War - Minidramen-Marathon, 24.3., 20.15 Uhr, Dramatischer Live-Comic, 26.3., 20.15 Uhr. Eintritt 12, erm. 7 Euro
Podiumsdiskussionen: „War W(r)op”, 21.3., 16.30 Uhr, „Krieg im Selbstversuch”, 22.3., 16.30 Uhr, „Mama, I Killed a Man“, 25.3., 16.30 Uhr, „Form Follows Function“, 26.3., 16.30 Uhr, Gorki-Foyer. Eintritt frei
Comic Container „Exportierte Kriegsschauplätze”, 20.-26.3., Eintritt frei
Visiothek, 21.3., 22 Uhr,
Comic-Karaoke, 23.3., 22 Uhr,
Bilder-Folgen: Comic-Lesungen, 21.3., 20.15 Uhr, 22.3., 18 Uhr, 25.3., 18 Uhr, Maxim Gorki Theater Studio. Eintritt 5 Euro. Mehr unter: www.gorki.de

(Der Text stammt aus der aktuellen Ausgabe der Berliner Stadtzeitschrift zitty)

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