Ausstellung: Schön reich, schön blöd
Das Berliner Künstlerduo Elmgreen & Dragset zeigt in einer Ausstellung im Karlsruher "Zentrum für Kunst und Medientechnologie" die Abgründe der Celebrity-Welt.
Der Mann, dem die Sportpokale gehören, ist wohl gerade auf dem Klo. Auf dem Tisch stehen leere Bierflaschen, im Fernsehen läuft Fußball, auf der fleischfarbenen Couch liegt ein Unterhemd. Auch die Küche der Nachbarwohnung ist verlassen. Karaokevideos tönen aus dem Küchenfernseher, ein vietnamesisches Schönheitsmagazin liegt auf dem Tisch, eine Motorkatze winkt. Nur der junge Gitarrist liegt neben seinem Laptop mit aufgerufenem Datingportal, blickt sehnsüchtig ins Weite und rührt sich nicht. Eine Wachspuppe.
Das Berliner Künstlerduo Elmgreen & Dragset hat einen Plattenbau ins Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) gestellt. Von drei Galeriegeschossen blickt man auf wehende Gardinen, kaputte Jalousien und eine verwahrloste Dachterrasse: Fensterblicke in fremde Schicksale, wie sie das Fernsehen bietet. Doch während dort der Zuschauer sitzt und die Bilder sich bewegen, stehen hier die Bilder still und der Besucher streift durch die Kulissen eines Schauspiels falscher Sehnsüchte und geplatzter Träume.
Einen Raum weiter hat wohl gerade ein Vernissage-Empfang stattgefunden. Im Kronleuchter hängen Luftschlangen, ein Gästebuch lädt zum Verewigen, der Aufseher trägt Livrée. Zwei goldbeschichtete Hostessenskulpturen stehen bereit, Studien günstig importierter Arbeitskraft. An der Wand prangt das Ölporträt des Gastgebersohns, der selbst als Wachspuppe im Kamin kauert. Die Gäste scheinen als Silhouetten durch die Scheiben der Türen zum Nachbarsaal, geschlossene Gesellschaft. Die Partygeräusche und Gespräche wurden angeblich auf echten Messen aufgezeichnet.
Elmgreen & Dragset schaffen Situationen, die die Erwartungen herausfordern. 2009 statteten sie in Venedig den nordischen und den dänischen Pavillon als Sammlervillen aus, eine stand zum Verkauf, vor der anderen trieb der Hausherr tot im Pool. Die nachgebauten Wirklichkeiten sind plakativ. Sie fördern Sehnsüchte zutage, indem sie deren Befriedigung versprechen und versagen. 2005 stellten Elmgreen & Dragset die Attrappe einer Prada-Filiale in die texanische Wüste – hinter der Scheibe locken echte Luxuswaren, doch keiner kommt hinein.
In diesen absurden, aseptischen Bühnenbildern wird der Betrachter zum Darsteller. Im besten Fall spürt er die Kontrolle, die Räume auf Subjekte und soziale Strukturen ausüben. Dahinter steht eine Freiheitsforderung, wie sie Michael Elmgreen und Ingar Dragset selbst vorleben, früher ein Liebespaar, heute noch eine erfolgreiche Arbeitsgemeinschaft.
Mit „Celebrity – The One & The Many“, ihrer bislang größten Ausstellung in Deutschland, vermisst das Duo den medialen Raum. Wie in einer begehbaren Explosionszeichnung öffnet sich das Geflecht einseitiger Blickbeziehungen, das ihn konstituiert: Da sind die Reichen und Schönen, deren Leben durch die Aufmerksamkeit noch reicher und schöner wird; und da sind die Benachteiligten, deren Position umso starrer wird, je mehr die Medien sie darauf festschreiben. Der Akt des Betrachtens ist mit ausgestellt und mit ihm die Routinen der Kunstbetrachtung, die ja gleichermaßen zur Vernachlässigung der Wirklichkeit führen kann wie übermäßiger Konsum von Talkshows.
Die Gesellschaft teilt sich heute in jene auf dem Bildschirm, und jene davor. So wird Ijoma Mangold im Katalog zitiert. Die Celebritykultur unterwirft auch Politiker und Wissenschaftler einem ständigen Kampf um Aufmerksamkeit. Castingshows stützen die Verhältnisse durch die Illusion, dass es jeder ins Bild schaffen kann. Georg Franck weist der „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ die Logik der Finanzspekulation nach: Aufmerksamkeit generiert Aufmerksamkeit.
Der reichhaltige Katalog verspricht, der Ausstellung die Ernsthaftigkeit zu sichern, die sie selbst auf’s Spiel setzt. Dass die Kritik der Aufmerksamkeitsökonomie in die eigene Markenpflege eingebunden ist, ist den Künstlern nicht vorzuwerfen. Wohl aber, dass sie so selbstgenügsam bleibt, so verliebt in die eigenen Effekte. Das wäre in Ordnung, wären diese nicht recht schnöde. Während der üppige Plattenbau in seiner Materialtreue Präsenz aufbaut, ist der Kamin aus Pressspan bloße Behauptung. Das Schattenspiel stellt einen überflüssigen Medienwechsel dar, der die Ausstellung in die Unverbindlichkeit entlässt. Elmgreen & Dragset wünschen sich flexiblere Räume. Doch ihre Installation lässt keinen Bewegungsspielraum.
Es lohnt der Vergleich mit der klug platzierten Nachbarausstellung des Autors Paul Plamper. Auch Plamper lockt den Voyeur in fremde Schicksale: „RUHE 1“ von 2008 ist ein begehbares Hörspiel. Der Betrachter nimmt an Cafétischen Platz und legt sein Ohr an Lautsprecher, die fiktive Gäste repräsentieren. Ein Schlag gegen die Fensterfront lässt die Gespräche verstummen. Im Einlassen auf die Figuren lässt sich das Geschehen rekonstruieren: Draußen wurde eine soziale Norm verletzt, und drinnen versucht man sich auf verschiedenste Weise in Abgrenzung und Rechtfertigung der eigenen Passivität.
Beide Ausstellungen teilen den strengen Realismus. Beide handeln von sozialer Isolation durch Distinktion. Plamper haftet eine Rundfunkanstalts-Sozialromantik an, für die sich Elmgreen & Dragset zu raffiniert wären. Aber bei ihm stimmt das Verhältnis von Aufwand und Wirkung.
ZKM, Karlsruhe, bis 27. März. Informationen: www.zkm.de
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