Teodor Currentzis und das Orchester MusicAeterna: Schneller als das Ohr erlaubt
Teodor Currentzis und sein Orchester MusicAeterna führen im Konzerthaus Mozart auf. Eine eindrückliche Melange aus Witz, Gewalt und Leichtigkeit.
Teodor Currentzis trägt keinen Frack wie andere Dirigenten, sondern Röhrenjeans. Ihm sind auch nicht von Alters wegen die Haare ergraut, er hat sich stattdessen einen Undercut schneiden lassen. Im Ganzen macht er den Eindruck eines Dandy, hoch gewachsen, dunkelhaarig, ganz wie der junge Liszt. Oder doch Paganini? Jedenfalls ist seine Art, sich zu bewegen, hoch effizient, die Arme schleudert er in die Streichergruppe, mit den Handgelenken puckert er Repetitionen hervor, er liebt Gesten des Drohens und Einlenkens. Auch mag er offenbar die Nebenstimmen, manchmal sogar so sehr (wie im Allegro von Mozarts zweitem Violinkonzert), dass er die längst abgehörte, fast schon abgewohnte musikalische Textur vollkommen neu organisiert. Das klingt dann möglicherweise etwas durcheinander, zugleich aber auch enorm interessant.
Vor allem jedoch hat der aus Athen gebürtige, in St. Petersburg ausgebildete Currentzis mit MusicAeterna ein exzellentes Alte-Musik-Orchester um sich geschart, mit einem kongenialen Konzertmeister und mit Hornisten, die in Beethovens „Eroica“ auf ihren Naturinstrumenten blasen wie die Engel im Himmel. Und hierin liegt wohl seine größte Stärke als Dirigent (neben der ungeheuerlichen Gabe, Stücke abzuputzen, ihnen die Patina geradezu gewaltsam abzuschlagen, sie mit Wind und Wetter auszustatten): nämlich in der Zuneigung zu seinen Musikerinnen und Musikern. Umgekehrt gesagt, denkt man im ausverkauften Konzerthaus bald zurück an Adornos böses Wort von der angeborenen „Renitenz“ des Orchestermusikers. Es ist eben doch ein Unterschied, ob ein Orchester springt, weil der Dirigent es so will, oder ob man tatsächlich alles zusammentut, das Atemholen ebenso wie das Abtauchen in musikalische Tiefen.
Nur die langsamen Sätze, sie haben bei Currentzis noch nicht genügend Sinn: Rokoko-Idiom? Kratzfüße? Leichte Puffigkeit? Da ist er noch auf dem Weg. Der so selten zu erlebende Einklang zwischen Dirigent und Orchester aber wird an diesem Abend, der mit Mozarts 25. Symphonie beginnt und danach Patricia Kopatchinskaja sich mit recht igeliger Tongebung durch sein Violinkonzert hindurchschrabbeln lässt, darauf eine phänomenal stürmische „Eroica“ bringt, dieser Einklang wird nirgends deutlicher als in der zugegebenen „Figaro“-Ouvertüre: Orchesterattacken, die schneller zuschlagen, als das Ohr erlaubt, eine eindrückliche Melange aus Witz, Gewalt und Leichtigkeit. Riesige Ovationen.