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Nicoals Stemann bringt die dänische Kultserie "Borgen" auf die Bühne.
© Doris Spiekermann-Klaas

"Borgen" an der Schaubühne: Schmutzige Machtspiele

Der Regisseur Nicolas Stemann bringt die dänische Kultserie "Borgen" auf die Bühne. Ein Gespräch über Binge-Watching, unlösbare Probleme und ein mögliches Scheitern.

Dreißig Stunden Binge Watching, also ununterbrochen Serien gucken. Was wie ein herrlicher Zeitvertreib klingt, war für den Regisseur Nicolas Stemann der Einstieg in die Arbeit zu seiner kommenden Inszenierung. Bei „Borgen“handelt es sich um die Adaption der dänischen Kultserie, in der es um eine fiktive dänische Ministerpräsidentin geht, die mit Intrigen in der Politik und Problemen in der Familie zu kämpfen hat. „Das gab es irgendwie noch nie“, meint der gebürtige Hamburger; dass eine Fernsehserie als Stoff für eine Theaterproduktion benutzt wird, sei ein Experiment. Eines, das auch scheitern kann: „Vielleicht wird sich zeigen, dass es einen Grund hat, dass so was noch nie gemacht wurde.“ Konkurrieren mit dem Fernsehen möchte er jedenfalls nicht. Vielmehr sieht er die Stärke des Theaters darin, einen so politischen Stoff mit anderen Mitteln darzustellen.

Teleprompter auf der Bühne

Im Theater sei der Konstruktionscharakter den Zuschauern immer klar. So verwundert es denn auch nicht, dass Stemann für „Borgen“ Teleprompter benutzt, von denen die Schauspieler ablesen. Ein Mittel, das man aus dem politischen Alltag nur zu gut kennt. In abgelesenen Reden werden dem Volk Grundwerte vermittelt, die Demokratie als unantastbar erklärt.

Mit diesen Themen möchte sich Stemann auch in „Borgen“ auseinandersetzen: „Was ist dieses moderne Leben eigentlich, in das sich jetzt alle reinintegrieren sollen? Ist uns das überhaupt klar?“ Zwei vermeintliche Gegensätze zusammenzubringen, hier das Fernsehen mit dem Theater, ist ein Ansatz, den der 47-Jährige nicht zum ersten Mal verfolgt. Mit „Rein Gold“ brachte er Anfang 2014 ein Werk auf die Bühne der Berliner Staatsoper, in dem der „Ring des Nibelungen“ von Wagner mit einem Bühnenessay von Elfriede Jelinek konfrontiert wurde. Gerade an diese Inszenierung muss er in diesen Tage oft denken. „Ich bin stolz auf diese Produktion“, erklärt er. „Der Clash zwischen zwei Genres war extrem fruchtbar, das kann ich auch jetzt bei ,Borgen‘ wieder anwenden.“ Ob die Serie ähnlich belastbar ist, wie die Werke von Jelinek und Wagner, werde sich allerdings erst noch zeigen müssen.

Keine Lösung in Sicht

Apropos Jelinek. Eine Konstante, die sich durch die Arbeiten von Stemann zu ziehen scheint. Zuletzt hat er im Mai 2014 Jelineks wütenden Klagechor „Die Schutzbefohlenen“ im Rahmen des Festivals „Theater der Welt“ uraufgeführt. Die österreichische Nobelpreisträgerin setzt sich in dem Stück mit den Folgen der Flüchtlingspolitik auseinander. Auf der Bühne standen dann auch echte Flüchtlinge. Ober er das Stück heute, nach allem, was seither passiert ist, anders inszenieren würde? „Wahrscheinlich würde ich alles komplett anders machen“, meint er. Aber: „Die Inszenierung ist in der Lage, sich aufzuladen.“ Man kann sich „Die Schutzbefohlenen“ auch heute noch im Thalia Theater in Hamburg ansehen. Weil er sich geweigert habe, die Probleme auf der Bühne aufzulösen, könne die Inszenierung auch jetzt noch für sich stehen. Dass diese damals sehr gemischt aufgenommen wurde, ist ihm klar. „Die Inszenierung war nicht eindeutig“, stellt er fest, „das hat viele Zuschauer verstört.“ Doch genau dafür habe er sich bewusst entschieden, das Ungelöste gesucht. Für Nicolas Stemann ist es eine grundsätzliche Frage: Stellt man die Welt so dar, wie man sie gerne hätte? Oder wie sie wirklich ist? Für ihn kommt nur Letzteres infrage. Denn „dass man Probleme in ihrer Komplexität belassen kann, ist eine Stärke des Theaters. Da muss es keine einfachen Aussagen geben wie vielleicht in der Politik.“

Matthias Kreienbrink

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