Dokumentation: Schau nach vorn!
Laut: Sandra Trostel porträtiert in „Utopia Ltd.“ die Hamburger Indie-Band 1000 Robota, die sie drei Jahre lang auf Tour, bei Proben, Diskussionen und Plattenaufnahmen beobachtet hat
Der wütende junge Mann, der seinen Weltekel und seinen Liebesschmerz mit Hilfe von verzerrten Gitarren nach außen schleudert, ist ein Standard-Modell der westlichen Pop-Kultur. Es hat seit den frühen Punk-Tagen in New York Ende der Sechziger viele Inkarnationen durchlebt, bis er Mitte der Neunziger endgültig vom Mainstream vereinnahmt wurde. Inzwischen ist wirklich alles schon einmal da gewesen und bestens in die kapitalistische Verwertungslogik integriert. Das macht es für junge Lärm-Bands schwer, wahr- und ernst genommen zu werden.
Die drei Hamburger Teenager, die die Band 1000 Robota gegründet haben, sind sich dessen absolut bewusst. Ihnen ist klar, dass Punk nur noch eine Marke ist und sie von 20 Jahre älteren Musikjournalisten vor allem in „Klingt wie“-Kategorien wahrgenommen werden. Aber was sollen sie machen? Sie sind jetzt jung, laut und frustriert. Das muss raus. „Wir sind hier, um zu sagen, dass wir das Geschehen nicht ertragen“, brüllen sie zu Gitarre, Bass, Schlagzeug. Die Band will gehört werden, will Erfolg, ohne sich dabei verbiegen zu lassen. Das Ringen um diesen Traum steht im Mittelpunkt von Sandra Trostels Dokumentation „Utopia Ltd.“, die dieses Jahr die Perspektive Deutsches Kino der Berlinale eröffnete.
Drei Jahre lang hat Trostel 1000 Robota begleitet, war bei Proben, Konzerten, Plattenaufnahmen dabei und verfolgt den ersten kleinen Medien-Hype um die Gruppe. Vor allem Sänger und Gitarrist Anton Spielmann kommt sie sehr nahe. Anders als seine Mitmusiker geht er nicht mehr zur Schule, sondern beginnt eine Ausbildung bei der Plattenfirma Tapete Records, wo auch das erste Album seiner Band erscheinen soll. Spielmann ist ein selbstbewusster Typ, der sich nicht scheut, auch mal völligen Stuss zu reden. So kann es passieren, dass er seine Band in einem Atemzug mit den Beatles und Tocotronic nennt und abschließend den Anspruch formuliert: „Wir wollen Entstehung verursachen und nicht erinnern.“
Dieses Nicht-Zurückschauen ist ein ständiger Topos in seinem Reden. Doch es hilft nichts: Auch 1000 Robota haben die Rockmusik nicht neu erfunden. Natürlich gibt es eine Verwandtschaft zwischen ihrem Sound und dem von Bands wie den Goldenen Zitronen, den Sternen oder eben Tocotronic. Spielmann arbeitet sich ab an großen Hamburger Namen. Tomte- Sänger Thees Ullmann ist ihm sogar ein echtes Feindbild. Seine zweite Rebellion richtet sich gegen das Tapete-Label, mit dem es immer wieder Aufeinandersetzungen über musikalische und organisatorische Fragen gibt. „Das Musik-Business fickt meine Seele“, seufzt er einmal.
„Utopia Ltd.“ zeigt sehr anschaulich, wie schwierig dieses vom Bedeutungsverfall physischer Tonträger gebeutelte Geschäft inzwischen ist. Die Entscheidung von 1000 Robota, nicht bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest mitzumachen, kann man in diesen Zeiten tatsächlich als Selbstsabotage sehen. Wie der Rückzieher der Band allerdings zum Beweis ihrer Integrität aufgebauscht wird, ist übertrieben und dient letztlich nur der Imagepflege. Nadine Lange
Babylon Mitte, fsk
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